„Das ist geschmacklos“

■ Gelöbnisschlappe für Runde: Selbst die SPD lehnt Neuengamme-Vorschlag ab

Die erste Garnitur von Parlament und Regierung trat gestern in der Bürgerschaft an, um über Sinn und Unsinn von öffentlichen Gelöbnissen zu debattieren. Erhitzte Gemüter und viele böse Worte gab es.

„Geschmacklos“sei der Vorschlag von Bürgermeister Ortwin Runde (SPD), Gelöbnisse in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme stattfinden zu lassen, so der CDU-Oppositionsführer Ole von Beust. Eine „pietätlose perverse Sauerei“sei diese Idee, so sein Vize Roland Salchow, der einen Bundeswehruni-Professor zitierte: „Neuengamme ist ein Massenfriedhof und kein Ort für ein militärisches Zeremo-niell.“In der Tat hatte die CDU mit dieser Kritik den wunden Punkt der SPD getroffen.

SPD-Fraktionschef Holger Christier distanzierte sich in seiner Rede sogar vom Bürgermeister: „Ich halte übrigens auch KZ-Gelände eher für ungeeignet, Konzentrationslager erinnern an Vorgänge von so monströser Ungeheuerlichkeit, die sich tagespolitischer Inanspruchnahme grundsätzlich entziehen sollten.“Runde selbst hält seinen Vorschlag allerdings noch immer für „kühn“. Man müsse Gelöbnisse „mit Orten und Terminen verbinden, die eine kritische Diskus-sion über Wurzeln und Folgen des Rechtsradikalismus befördern“.

Angesichts der scharfen Angriffe der CDU platzte einem Hauptmann der Reserve der Kragen. Die Roeder-Affäre werfe doch die Frage auf, „ob man darauf mit einem militärischen Ritual antworten sollte“, polterte der erregte SPD-Fraktionsvize Walter Zuckerer. Die Bundeswehr – das wisse von Beust vielleicht nicht, er habe ja nicht gedient – „hatte immer Probleme mit sich selbst“. Der Vorschlag, den Bundesverteidigungsminister Volker Rühe auf die gehäuften rechtsradikalen Vorfälle gemacht hatte, sei unsinnig. „Stellt der Aufmarsch der Truppe auf dem Rathausmarkt die Bundeswehr etwa in die Mitte der Gesellschaft?“ Silke Mertins