Diskussion im Zweifel ohne den Angeklagten

■ Der FU-Asta „informiert“ heute abend über den Forschungsverbund SED-Staat, dem er „Geschichtsrevisionismus“ vorwirft. Dessen Leiter sieht sich einem „Tribunal“ ausgesetzt

Klaus Schroeder redet sich in Rage. „Das sind keine Lausbubenstreiche mehr“, sagt der Leiter des Forschungsverbunds SED-Staat an der Freien Universität (FU), „da hört der Spaß auf“. Das Corpus delicti: Flugblätter und Plakate, auf denen das Fachschaftsreferat des FU-Asta zu einer Diskussion über den Forschungsverbund lädt. Heute abend sollen der Politologe Peter Steinbach, der Historiker Wolfgang Wippermann und der PDS-Bundestagsabgeordnete Uwe-Jens Heuer diskutieren – allesamt erklärte Gegner von Schroeders DDR-Forschern, wenn auch aus unterschiedlichen Motiven. Der Vorwurf der Veranstalter: Der Forschungsverbund verharmlose durch die Dämonisierung der DDR die Verbrechen des Nationalsozialismus und werde für diese Dienste vom Staat und „dem Kapital“ üppig alimentiert.

Die Organisatoren haben bewußt keinen Forscher des Verbunds eingeladen. Sie hätten einer „Verharmlosung der NS-Diktatur kein Podium bieten“ wollen. Auch Diskutant Wolfgang Wippermann findet es „legitim, in Abwesenheit zu reden“. Die Forscher des Verbunds hätte sich „aus dem notwendigen Konsens begeben, der zu einem herrschaftsfreien Diskurs notwendig ist“.

Schroeder empfindet die heutige Diskussion als „Tribunal“, das dem „antipluralistischen Selbstverständnis“ der Veranstalter entspreche. Er sieht eine im Vorfeld der Bundestagswahl von der PDS angeschobene Kampagne, die mit der Revisionismuskeule jede Kritik an der DDR ersticken solle. Die Vorwürfe seien „frei erfunden“, der Forschungsverbund betreibe „das genaue Gegenteil“ von Relativierung. „Ich überlege, ob ich gegen den Asta klage.“

Beklagen könnten sich allerdings auch jene Kritiker des Forschungsverbunds, die differenzierter argumentieren. Selbst die Gutachter, die dem Verbund im vorigen Jahr gute Arbeit bescheinigten, meldeten Bedenken am „Stil der öffentlichen Präsentation“ und der „plakativen Titelgebung“ der Forscher an, die künftig „stärker Historiker“ in ihre Reihen aufnehmen sollten. Bislang handelt es sich um eine Gruppe von Politologen und Soziologen, die in der breiteren Öffentlichkeit vor allem mit Angriffen auf die linksliberalen Koryphäen der Geschichtswissenschaft Aufsehen erregten. Die meisten Mitglieder des Verbunds verfügen über Erfahrungen in den ideologischen Grabenkämpfen der 70er und den hochschulpolitischen Kungeleien der 80er Jahre an der FU. Einen Hautgout verströmte die Einrichtung des Verbunds 1992 auch wegen seiner engen Verbindungen ins Präsidialamt, dem er direkt unterstellt ist.

Den Vorwurf, es auf persönliche Diffamierung abgesehen zu haben, weist Schroeder weit von sich – nicht ohne sogleich zu erwähnen, daß sich Wippermann auf die Leitung des Dresdner Hannah- Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung beworben und erst nach der Absage seine Abneigung gegen den Totalitarismusbegriff entdeckt habe: „Das ist eine kleinliche private Racheaktion.“ Ralph Bollmann