„Natürlich kann man Erfolg kaufen“

Mit einem Budget, das einen Bundesligaclub neidisch machen könnte, arbeitet der Fußballverein Tennis Borussia Berlin an seinem Wiederaufstieg in die 2. Bundesliga. Doch der Ausverkauf an eine Finanz-Holding ist umstritten  ■ Von Jürgen Schulz

Hermann Gerland redet nicht um den heißen Brei herum. „Natürlich kann man Erfolg kaufen“, meint der wortkarge Trainer des Fußball-Regionalligisten Tennis Borussia Berlin. Zum Philosophieren wurde der als „harter Hund“ verschriene Sportlehrer („Ich geh' gradeaus durch drei Wände“) auch nicht geholt. Seine Mission lautet kurz und bündig: Aufstieg in die 2. Bundesliga! Dafür kann sich der Lizenz-Coach aus Westfalen auf volle Rückendeckung seitens der Chefetage verlassen. „Mein Präsidium erfüllt mir jeden Wunsch.“

Der pekuniäre Erfolgsdruck, der auf Gerland lastet, ist immens. 14,5 Millionen Mark investierte die TeBe-Führung in der laufenden Spielzeit in das „Unternehmen Aufstieg“, weit mehr als die düpierte Konkurrenz. Der einzige ernsthafte Verfolger, Sachsen Leipzig, finanziell die Nummer zwei in der Regionalliga Nordost, muß mit einem Etat von 5 Millionen Mark auskommen. Und Wolfsburg stieg in der vergangenen Saison mit einem Aufwand von nur 12 Millionen Mark in die 1. (!) Bundesliga auf.

Der gekaufte Erfolg gibt den Berlinern vollauf recht: Zum Rückrundenstart kann die Konkurrenz im Osten Deutschlands die längst davongeeilten Charlottenburger bestenfalls bei klarem Wetter sehen. Die Rückkehr der Borussia ins Profilager, wo man zuletzt 1993/94 antrat, scheint nur noch von den Relegationsspielen im Frühsommer gegen den Meister der Regionalliga Nord abzuhängen. „Wir sind zum Aufstieg verdammt“, grummelt der gebürtige Bochumer Gerland. Die souveräne Herbstmeisterschaft entlockt dem einstigen Erstliga-Trainer bloß ein müdes Lächeln, abgerechnet wird im kommenden Juni.

Längst sind die Stimmen verstummt, die TeBe mit Schwindsucht in der Vereinskasse übersetzten. Die Borussen powern, sehr zum Leidwesen der Drittliga-Rivalen, die offen von Wettbewerbsverzerrung reden. Bei Spielen in den neuen Bundesländern gelten Gerlands Überflieger mittlerweile als ideales Haßobjekt aus dem stinkreichen Westen. „Überall werden wir angepöbelt und bespuckt. Allein schon deshalb müssen wir aufsteigen“, meint der Trainer.

Die „Amateure“ kassieren Traumgagen

Ohnehin passen die übermächtigen Berliner nicht mehr in ihre Klasse, denn TeBe zahlt seinen Spielern in der Regionalliga – die offiziell als Amateurklasse eingestuft wird – protzige Jahresgrundgehälter von bis zu 700.000 brutto. Siegprämien (2.000 Mark pro Nase) exklusive. Selbst gestandene Profis beim zwei Klassen höher angesiedelten Lokalrivalen Hertha BSC erblassen da vor Neid.

„Halbe Sachen bringen nichts“, rechtfertigt Kuno Konrad die exorbitante Honorierung seiner Angestellten. Der gemütliche Schwabe aus Leonberg ist der „Vater des Erfolges“ in Charlottenburg. Der 41jährige Bankkaufmann mit dem treuen Blick trat im März 1996 die Präsidentschaft bei TeBe an, nachdem sein Vorgänger, der Musikpräsident Jack White, die „Veilchen“ (benannt nach der Vereinsfarbe Lila) mit acht Millionen Mark Schulden im Regen hatte stehen lassen und der Gang zum Konkursrichter unausweichlich schien.

Doch dann übernahm Konrad die Regie. Im September 1996 präsentierte das Vorstandsmitglied des Finanz- und Versicherungskonzerns Göttinger Gruppe ein im Sport bis dato einmaliges Steuermodell. Die Niedersachsen kauften dem Tennis Borussia e.V. sämtliche Marketingrechte bis zum Jahr 2010 ab. Als Gegenleistung stellt die neugegründete TeBe Marketing AG (an der die Göttinger Gruppe als Mehrheitsaktionär und TeBe e.V. beteiligt sind) jährlich einen garantierten Betrag, um die Mannschaft in höhere Regionen zu hieven.

„Im Jahr 2000 wollen wir in die Bundesliga aufsteigen, zehn Jahre später in der europäischen Spitze mitmischen“, verkündet Konrad. Die Anhänger reagieren mißtrauisch bis euphorisiert. Schließlich fristen seit Gründung des Vereins im Jahre 1902 die „Veilchen“ in Berlin im übermächtigen Schatten von Hertha BSC ein eher kümmerliches und erfolgloses Mauerblümchendasein.

Zwar wurden anfangs unter altgedienten Borussen warnende Stimmen laut, der betuliche Traditionsclub werde putschartig zum „FC Göttinger Gruppe Berlin“ degradiert. Doch als Präsident Konrad die Bilanz seines Steuermodells vorlegte, verstummten die Kritiker rasch. Per 31. Dezember 1996, triumphierte der Schwabe, hätten TeBe-Sympathisanten Anteile an der Marketing AG in Höhe von 10,7 Millionen Mark gezeichnet. Geld, das über die weitverzweigten Vertriebswege der Göttinger Gruppe eingenommen und mit offensichtlichem Erfolg in die Mannschaft investiert wurde.

Die Finanz-Holding aus Niedersachsen hat die interne Opposition mittlerweile fest im Griff. Vereinsversammlungen werden in Rekordzeit durchgezogen, die schüchterne Kritik verunsicherte Mitglieder richtet sich meist gegen Kleinigkeiten wie die Sanitäranlagen im Mommsenstadion. Wer das System der Geldbeschaffung kritisiert, gilt als Spielverderber.

Der einzige ernsthafte Gegner der sportlich schier unschlagbaren Göttinger Borussen sind die Verbraucherschützer. Stiftung Warentest und die Verbraucherzentrale etwa warnen seit geraumer Zeit vor der Praxis der Göttinger Gruppe, da diese unter dem Motto „Neue Werte für Ihr Geld“ angeblich mit riskanten Anlagemodellen, Unternehmensbeteiligungen und Lebensversicherungen auf Kundenfang gehe. Das Kölner Oberlandesgericht entschied sogar, der Konzern aus Niedersachsen (Umsatz 1996: 8,5 Mrd. DM) müsse sich ungestraft als „Abzock- Gruppe“ bezeichnen lassen.

Wahrlich kein Vertrauensbeweis für das „Modell TeBe“, das zunehmend unter Beschuß gerät. Der renommierte Münchener Wirtschaftsprüfer Dr. Jürgen Braun etwa nahm das Charlottenburger Joint-venture fachmännisch auseinander. Sein Urteil: „Die Entscheidungen werden ausschließlich von der Göttinger Gruppe getroffen. Der Fußballverein TeBe hat nichts zu sagen.“ So beherrschen die Göttinger sowohl den Aufsichtsrat, das höchste Entscheidungsgremium des Vereins, als auch den TeBe-Vorstand, die Exekutive für den Alltag.

Zwar ist es auch im Fußball längst Usus, daß der Geldgeber die Richtung bestimmt. Aber angesichts der Schuldenlast aus der Ära Jack White kommt sensiblen Tennis-Borussen beim Gedanken an die Zukunft der kalte Angstschweiß: Was, wenn die hochbezahlte Mannschaft scheitert und die Göttinger Gruppe plötzlich die Lust am Spielzeug TeBe verliert? Vorsorglich, beruhigt Präsident Konrad, seien die Laufzeiten der kostspieligen Kicker-Verträge auf zwei Jahre (bis 1999) befristet worden, „für die wir geradestehen, damit der Klub kein Risiko eingehen muß“. Wie es danach weitergeht, dazu äußert er sich nicht. „Das Modell steht und fällt mit dem sportlichen Erfolg“, meint der Ober- Borusse vieldeutig nichtssagend.