Der Krieg der XXL-Käfer

Paul Verhoevens „Starship Troopers“-Expedition nach Robert A. Heinleins Sci-fi-Bestseller aus den Jahren des Sputnik-Schocks ist eine grandiose Unterhaltungsmaschine – den Kultfilm hat er verfehlt  ■ Von Brigitte Werneburg

Immer wenn es in „Starship Troopers“ ganz grausig wird, schaltet Regisseur Paul Verhoeven vom Film zum Computerspiel um. Dann scheint alles anklickbar, und der Menüpunkt „Want to see more?“ kommt ins Bild – woraufhin man nichts mehr sieht. Das ist mindestens so effektiv wie die Einblendung „Censored“, was doch zu denken gibt.

Will man tatsächlich mehr sehen (und wissen) und klickt daher die Kinodatenbank im Internet an, so findet sich dort zu Verhoevens neuestem Film folgende „Genre/ Stichwort“-Liste: „Abenteuer, Krieg, Action, Sci-fi, Splatter, Horror, Duschen, Alien-Attack, Militär, teilanimiert, Infanterie, Weltraum, Asteroid, Zukunft, Faschismus, Aliens, Rieseninsekt, Gewalt und teilcomputeranimiert“. Was zweifellos noch fehlt, sind „Western“, „Computerspiel“ und vor allem der zugegebenermaßen sehr deutsche Begriff „Landserfilm“. Auch das gibt zu denken. Um so mehr, als in der Datenbank nicht nur „The Empire Strikes Back“ (1980), sondern auch Leni Riefenstahls „Triumph des Willens“ (1934) als Referenzfilm aufgeführt ist.

Die Liste reicht aus, um zu erkennen, daß Verhoeven („RoboCop“, „Total Recall“ und zuletzt der Flop „Showgirls“) mit seiner martialischen „Starship Troopers“-Expedition nichts weniger als einen neuen Kultfilm anpeilte. Fast wäre er auch gelungen. Wäre da nicht die öde Liebesgeschichte. Immerhin ist sie nicht der Ort, von dem aus, wie man nach den ersten Drillszenen im Militärlager erwarten könnte, der Widerstand erwächst. Sie ist im Gegenteil das reine instrumentalisierte Sentiment.

Mit einem Schuß altem „RoboCop“-Sarkasmus haben nämlich Verhoeven und sein Drehbuchautor Ed Neumeier die kryptofaschistische Bestsellervorlage Robert A. Heinleins, die Amerika zur Zeit des Sputnik-Schocks auf Vordermann bringen wollte, zu größtmöglicher Kenntlichkeit remixt. Im Krieg der Erdföderation gegen das böse Kollektiv der arachnoiden Rieseninsekten und der Käfer in XXL-Größe am anderen Ende der Galaxis heißen die Soldaten „Citizens“, was nicht von ungefähr an den Staatsbürger in Uniform erinnert. Und der hat naturgemäß von bürgerlicher Freiheit und Demokratie nicht den blassesten Schimmer.

Faszinierender Faschismus?

Parodie, Zitat und eine teilweise durchaus grobschlächtige Ironie wollen in „Starship Troopers“ keinesfalls über die gemeine Vision einer weltumspannenden Pax Americana hinwegtrösten, unter der weder Männer noch Frauen, weder Europäer oder Asiaten einen Unterschied machen, weil die Welt sowieso nur noch aus guten Amerikanern besteht. Nichts wird gut – und das ist der perfide Witz von Verhoevens Film –, selbst wenn am Ende die Killerinsekten getötet und die Meteoriten, die sie auf die Erde abfeuern, gestoppt werden. Die gegen sie kämpfende mobile Sterneninfanterie und die sie begleitende Luftwaffe erweisen sich bei Verhoeven als ein gleichgeschalteter, brutalisierter und vor allem hinreichend dummer Apparat. Deswegen wird die „Desert Storm“-Rhetorik etwelche Fans des Landserfilms nicht ohne weiteres erfreuen, auch wenn die „aufgeklärten Zuseher“ die Einblendung „Censored“ zu schätzen wissen, die ihren guten, süffisanten Teil zur Erinnerung an den Golfkrieg 1990 beiträgt.

Die Rede vom „aufgeklärten Zuseher“, für den „Starship Troopers“ „eine wunderbare Klamotte“ ist, führt der Schriftsteller Helmut Krausser in seiner Filmbesprechung im Spiegel dieser Woche, weil er befürchtet, daß der Film eine Mehrheit von weniger erleuchteten Zuschauern auf dumme Gedanken bringen könnte. Nichts gegen seine ganz und gar wunderbare Kritik. Freilich, fällt einem ein – wäre der ideale Spiegel-Rezensent des Films nicht eigentlich Herrn Augsteins Lieblingsschriftsteller Ernst Jünger? Immerhin werden seine großen Themen Käfer, Krieg und moderne – nicht mehr nur planetarische, sondern gar außerplanetarische – Medientechnologie hier spektakulär in Szene gesetzt. Und ein bißchen LSD-Erfahrung kann beim Betrachten der grandiosen Weltraumoper letztlich auch nicht schaden.

Daß Verhoeven die lange „Genre/Stichworte/Referenzfilm“-Liste nutzt, um höchst mokant eine böse Geschichte zu erzählen, entgeht niemandem. Aber wirklich amüsieren wird sich nur, wer in seinem Kriegsfilm die Parodie, die Antipädagogik nach jeder Richtung hin zu schätzen weiß.

Die perfekte Unterhaltungsmaschine

Es scheint, daß man die Gefahr eines „faszinierenden Faschismus“, von dem Susan Sontag bei Leni Riefenstahl sprach, für „Starship Troopers“ als gering veranschlagen darf. Nicht ohne Grund ist das 100 Millionen Dollar teure Sci-fi- Spektakel in Amerika ziemlich gefloppt.

Wahrscheinlich hat Verhoeven einfach zuviel des Guten getan, als er auch noch seine Protagonisten mit hübschen Puppen besetzte, die strikt wie solche agieren. Casper Van Dien als Johnny Rico, der nach der High School in die Mobile Sterneninfanterie eintritt, um der von ihm geliebten Carmen Ibañez (Denise Richards) zu imponieren, die in der Luftwaffe Karriere macht, sowie die ihm liebestoll in die Infanterie folgende Dizzy Flórez (Dina Meyers) erscheinen jedenfalls wie die endgültige infame Comicversion jeglicher darwinistischer Menschenzuchthoffnungen. Bei so wenig Anlaß zur Identifikation mit den als Serienschauspielern bekannten Darstellern kann man sich zwar an die Action halten, aber „,Beverly Hills 90210‘ goes war“, das fand man in den Vereinigten Staaten dann doch nicht mehr so komisch. In Europa könnte das anders sein – wenn die Sache, ja, wenn sie nicht zwischendurch so verdammt zäh würde. Nämlich dann, wenn der Landserfilm alle anderen Genres zu überwuchern und zu ersticken droht. Glücklicherweise kommt „Want to see more?“ auch dann ins Spiel, wenn es ganz langweilig wird.

Sobald der Film jedoch seine Balance findet, ist er die absolut perfekte Unterhaltungsmaschine. Der Landungsversuch der Raumflotte im Meteoritenhagel ist atemberaubende Weltraumoper, wie man sie noch kaum gesehen hat; die Verteidigung des erdföderierten Forts auf dem „häßlichen Planeten“ des Feindes (wofür ein Rieseninsekt dem Kriegsreporter, der diese Beschreibung liefert, gleich mal den Kopf absäbelt) klassischer Western in den South Dakota Badlands. Der latente Klassenkonflikt zwischen proletarischen Bodentruppen und elitärer Luftwaffe läßt den komisch aussichtslosen Kampf der Infanterie gegen die Indianerhorden der Rieseninsekten, die direkt einem 50er-Jahre-Sci-fi-Film entstammen könnten, um so grandioser erscheinen.

Es ist ohne weiteres ersichtlich, daß Kriegsfilm und Weltraumodyssee jeweils eigene Teams für die Spezialeffekte brauchten, von denen es mehr gibt als jemals zuvor in Hollywood. Man sieht das Geld, das in den Film hineingebuttert wurde. Etwa beim Heer der computeranimierten Spinnen, die am Horizont wie bunte chinesische Papierdrachen auftauchen, um in der Großaufnahme ihre Modellbauqualitäten in monströsen Splatterattacken auszuspielen.

Am Ende wird der Kopf der Käferaggressoren eingefangen, ein großes, weiches, trauriges Ungetüm mit klugem Blick und vaginaler Mundöffnung. Löblicherweise schiebt sich ein „Censored“ ins Bild, als das Viech auf der Erde zu Untersuchungszwecken aufgeschlitzt wird, denn es tut einem leid. „Want to see more?“ Ja. Doch.

„Starship Troopers“. Regie: Paul Verhoeven, Kamera: Jost Vacano („Die verlorene Ehre der Katharina Blum“, „Das Boot“). Mit Casper Van Dien, Denise Richards, Dina Meyer. USA 1997, 130 Min.