■ Bischöfe: Wird der Abtreibungsbeschluß zum Wahlkampfthema?
: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben

Es ist schon erstaunlich, wie moderat die Opposition auf den Beschluß der deutschen Bischöfe reagiert, ab 1999 keine Beratungsscheine für schwangere Frauen mehr auszustellen. Weder SPD noch Grüne versuchen, die neue Entwicklung wahlkampfmäßig gegen die kirchennahen Unionsparteien auszuschlachten. Das ist auch gut so. Schließlich gilt das Prinzip der Trennung von Staat und Kirche. CDU und CSU können nichts dafür, daß die Bischöfe auf eine Weisung des Papstes reagiert haben. Insofern dürfen sie für die neue Situation nicht verantwortlich gemacht werden.

Dennoch haben die Unionsparteien Grund zur Sorge. Wenn das Thema Abtreibung wieder hochkocht wird, werden vor allem sie die Leidtragenden sein. Schon jetzt bringt die Kirche die Union nach dem Motto „Angriff ist die beste Verteidigung“ in Schwierigkeiten. So warf der Kölner Erzbischof Joachim Meisner gestern Bundeskanzler Kohl mangelnden Einsatz in der Abtreibungsfrage vor.

Die katholische Kirche versucht damit, von ihrer peinlichen Rolle abzulenken, daß sie als Befehlsempfänger des Papstes einen mühsam gefundenen, aber tragfähigen Kompromiß zur Abtreibung aufkündigen mußte. Zumindest ein Teil der katholischen Wählerschaft der Union wird dem Kardinal aber recht geben.

Noch können sich die C-Parteien darauf beschränken, die Bischöfe für ihren angeblich weisen Kompromiß zu lobhudeln, wenigstens im Wahljahr alles beim alten zu belassen. Lange können sie sich aber nicht mehr um eine Stellungnahme herumdrücken, die entweder der Kirche oder abtreibungswilligen Frauen weh tut. Schließlich muß die Regierung zwei Fragen entscheiden: Erstens, ob der Staat die Kirche für ihre Beratungstätigkeit weiterbezahlt, auch wenn diese keine Beratungsscheine mehr ausstellt. Und zweitens, ob das Geld statt dessen an Einrichtungen vergeben werden soll, die für die Kirche in die Bresche springen. Wenn die Regierung diese Fragen aussitzt, würde sich das Angebot von Einrichtungen, die Beratungsscheine ausstellen, ab 1999 verringern. Damit machte sich die Regierung automatisch zum Handlanger derjenigen, die das Abtreibungsrecht verschärfen wollen.

FDP und Bündnisgrüne haben schon gefordert, daß die katholische Kirche für ihre Beratungstätigkeit nicht länger bezahlt werden soll. Vor allem der CSU paßt das gar nicht. Der politische Schlagabtausch ist daher nur aufgeschoben, nicht aufgehoben. Markus Franz