Im Namen der Bauern gegen Europa

CDU/CSU und FDP wollen im Bundestag die EU-Naturschutzrichtlinie kippen – obowohl der Vermittlungsausschuß der Novelle erst vor zwei Wochen zugestimmt hat. Nun droht Deutschland eine Strafe in Millionenhöhe  ■ Von Judith Weber

Berlin (taz) – Was seit vier Jahren in der EU geltendes Recht ist, will die Regierungskoalition in Deutschland verhindern: CDU, CSU und FDP wollen die Umsetzung der EU-Naturschutzrichtlinie stoppen. Das haben die Partei- und Fraktionschefs am Dienstag entschieden. Damit droht Deutschland eine Verurteilung durch den Europäischen Gerichtshof und eine Geldstrafe von täglich 1,5 Millionen Mark.

Agrarpolitiker aus CDU und FDP lehnen die Richtlinie ab, weil sie keine Ausgleichszahlungen für Bauern vorsieht, die durch strengere Naturschutzauflagen weniger verdienen. Das passiert dann, wenn die Landwirte richtliniengetreu auf Dünger verzichten oder ihre Wiesen seltener mähen. Dafür müssen die Länder sie entschädigen, verlangen besonders FDP-Politiker und Landwirtschaftsminister Jochen Borchert (CDU). Doch die Bundesländer wehren sich. Schließlich gebe es bereits Ausgleichszahlungen, wie zum Beispiel für Landwirte in Naturschutzgebieten.

Über zahlen oder nicht zahlen streiten Bund und Länder nun schon seit Jahren. Der Europäische Gerichtshof hat die Bundesregierung bereits verurteilt, weil sie die Richtlinie nicht umsetzt; beim nächsten Urteil wird eine Geldstrafe fällig. Vor zwei Wochen jedoch schien die Debatte beendet: Der Vermittlungsausschuß zwischen Bund und Ländern stimmte der Umsetzung zu – und zwar ohne Ergänzungen. Dabei soll nur die FDP geschlossen dagegen votiert haben. Die Gesandten von CDU und CSU waren uneins: Sieben von ihnen enthielten sich, zwei nickten die Regelung ab. Nur zwei Abgeordnete stimmten dagegen. CDU-Umweltministerin Angela Merkel ist für die europäische Regel, ihr Parteikollege Borchert nicht.

Nun beugen sich die Regierungsparteien nachträglich dem Druck der Agrarpolitiker. „Wir wollen den Ländern Zeit geben, ihre Ablehnung der Entschädigungen noch einmal zu überdenken“, sagte gestern Ulrich Heinrich, der parlamentarische Geschäftsführer der FDP. Daß dabei Wahlkampftaktik eine Hauptrolle spielt, gibt er indirekt zu: Mit Niedersachsen und Sachsen-Anhalt stünden Wahlen in „starken Landwirtschaftsgebieten“ an. Da können Minister sich schon unbeliebt machen, wenn sie ihren Bauern eine Entschädigung versagen.

Doch an der Meinung der Bundesländer wird sich auch in einigen Wochen oder Monaten nichts ändern, vermutet Michael Müller, umweltpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Erstens „sind die Länder sauer, weil der Bund immer wieder Kosten auf sie abwälzt“. Zweitens sei schlicht kein Geld vorhanden für die Ausgleichszahlungen. „Die Frage nach Geld kann man so nicht stellen“, erboste sich Ulrich Heinrich von der FDP. „Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.“

Über die debattiert am 5. Februar der Bundestag. Wenn die Koalition die Novelle wie geplant ablehnt, werde erneut der Vermittlungsausschuß angerufen, sagte gestern eine Sprecherin des Umweltministeriums. Angst vor 1,5 Millionen Mark Strafe hat die Behörde nicht: Mit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs sei schließlich nicht vor August zu rechnen. Und bis dahin soll alles vorbei sein. Kommentar Seite 12