Kein Club der bemoosten Häupter

Die grüne Heinrich Böll Stiftung stößt mit ihrem Plan, eine Akademie zu gründen, bei Wissenschaftlern auf Zuspruch. Die Parteispitze der Grünen jedoch hat Vorbehalte und fordert mehr konkrete Politikberatung  ■ Aus Berlin Dieter Rulff

Manchmal kann Jürgen Trittin den Parteifeinden von der CDU durchaus etwas abgewinnen. Wie deren Konrad-Adenauer-Stiftung der Partei zuarbeitet, Studien liefert zu „schwarz-grünen Bündnissen in der Kommunalpolitik“ – so würde sich Trittin manchmal auch die Aktivitäten der grünen Heinrich Böll Stiftung wünschen. Den Bundesvorstandssprecher der Grünen ärgert an seiner Stiftung, daß „bestimmte Aufgaben der Politikberatung bis heute nicht funktionieren“.

Auf diese Beratung sieht sich die Partei vor allem im Wahljahr angewiesen, doch wird sich der Wunsch kaum zu ihrer Zufriedenheit erfüllen. Denn der Vorstandssprecher der Böll-Stiftung Ralf Fücks sieht die Aufgabe seines Hauses nicht in „Knopfdruckdienstleistungen für die Partei“. Man sei schließlich kein externer Wahlkampfstab, so Fücks. Der ehemalige Bremer Umweltsenator hat alle Hände voll mit dem Aufbau der Böll-Stiftung zu tun, seit sie im letzten Frühjahr aus drei Grünen-nahen Stiftungen hervorgegangen ist.

Mit der Fusion sollte die Parteiferne der drei Vorgänger, in der mancher Grüne schlichte Politikferne oder gar Weltfremdheit ausmachte, überwunden werden. Doch hat sich damit die Diskussion um die Nähe zur Partei noch längst nicht erledigt. Sie entzündet sich nun an einem Lieblingsprojekt der Stiftung, der Gründung der Grünen Akademie. Die Grüne Akademie soll „Ideenagentur, öffentlicher Diskursort und wissenschaftliche Beratungsinstanz“ sein. Sie soll zwar parteinah agieren, aber „die Trennlinien des parteipolitischen Spektrums überwinden“. So lauteten die Vorgaben, mit denen im Sommer 300 Politiker, Wissenschaftler und Intellektuelle per Rundbrief gebeten wurden, ihre Vorstellungen möglicher Themenbereiche zu präzisieren. Die Zahl der Rückmeldungen war enorm. Die gesellschaftliche Resonanz, resümiert Fücks, sei „viel positiver als das, was aus der Partei zurückkommt“.

Mittlerweile sind die Schwerpunkte auf die Bereiche Demokratie und Ökologie, darunter die nachhaltige Entwicklung, eingegrenzt. Vor allem auf diesen Feldern sollen „wissenschaftliche Forschungsergebnisse auf ihre gesellschaftspolitische Konsequenz abgeklopft“ werden. Dabei lebt die Akademie nach den Vorstellungen ihres Protagonisten Fücks „vom ehrenamtlichen Engagement ihrer Mitglieder. Ein kleiner hauptamtlicher Stab hat vor allem die Aufgabe, die Selbstorganisation der Akademie-Mitglieder zu unterstützen.“ Bis zum November soll ein dreiköpfiges „Startpräsidium“ der Akademie gewählt werden, in vier Auftaktseminaren soll der Personenkreis angesprochen werden, aus dem sich auch die potentiellen Mitglieder rekrutieren. 200.000 Mark wurden in diesem Jahr für die Projektvorbereitung veranschlagt.

Wenn es nach dem Willen des Bundesvorstandes geht, wird diese einjährige Experimentierphase zu einer Prüfungsphase zurückgestuft. Und zu prüfen gibt es nach Ansicht der Partei noch einiges. So befürchtet Trittin, daß die geplante Selbstorganisation der Akademie Selbstberufung und Selbsterneuerung bedeutet und damit schlicht in eine Verselbständigung ausartet. Auch könne es zu einer handfesten Konkurrenz zwischen Akademie und Stiftung kommen, zu einem „wissenschaftlichen Sachverstand erster und zweiter Klasse“, wenn die bereits arbeitenden wissenschaftlichen Beiräte nicht in das Akademieprojekt einbezogen werden.

Last but not least geht es natürlich auch um die Ausrichtung der Akademie, das heißt um die Frage, welche Wissenschaftler das Profil bestimmen. Trittin meint, daß Fücks gegebenenfalls andere Experten berufen würde als er. Fücks dürfte ihm wohl kaum widersprechen, auch wenn er die Pluralität des Spektrums hervorhebt. Er wolle, so Fücks, keine Parallelstiftung, auch „keinen Club der bemoosten Häupter“. Allerdings warnt er Richtung Bonn, es sei „eine weltfremde Vorstellung“ zu glauben, „man könne hochkarätige Leute ehrenamtlich gewinnen, wenn Parteileute ständig reinreden“. Das Projekt könne nicht ad infinitum verzögert werden, das verschleiße die Motivation der Leute.

„Bevor sie sich an die Kür einer Akademie macht“, kontert Trittin, möge sich die Stiftung doch ihren Hausaufgaben, der Politikberatung, widmen. Und da registriert er mittlerweile ein Einsehen der Stiftung. Auch wird der Bundesvorstand künftig bei der Akademie- Vorbereitung mitreden. Er darf einen Vertreter in die Planungsgruppe entsenden. Der Vorstandssprecher beharrt aber auch darauf, daß eine präzise Finanzplanung für die Akademie vorgelegt wird. Denn nicht nur er hegt die Befürchtung, daß deren Kosten zu Lasten der eigentlichen Stiftungsarbeit gehen und dann Verteilungskonflikte ins Haus stehen.