Faradsch Sarkuhi darf das Gefängnis verlassen

■ Iranische Führung hat den Schriftsteller und Regimekritiker nach 15 Monaten Haft entlassen. Das Regime behält den Paß ein, seine Familie befürchtet ein Ausreiseverbot

Berlin (taz) – Der iranische Schriftsteller Faradsch Sarkuhi (50) ist nicht mehr inhaftiert. Gestern morgen durfte der Regimekritiker das berüchtigte Teheraner Evin-Gefängnis verlassen – nach 15 Monaten ununterbrochener Haft.

Ihr Mann habe sich kurz nach seiner Entlassung telefonisch bei ihr gemeldet, berichtete der taz gestern Sarkuhis Ehefrau Farideh Sebardschad. Er habe nicht mit seiner Freilassung gerechnet und sei „sehr überrascht“ gewesen. Neben Hörproblemen und einer Knochenerkrankung würde ihn vor allem Angst um die Zukunft plagen. „Meine Existenz ist für die Regierung gesetzeswidrig“, habe ihr Mann wörtlich gesagt, berichtete Sebardschad. Er habe keines seiner persönlichen Dokumente ausgehändigt bekommen. Dies, so Sebardschad, lasse befürchten, daß die iranischen Behörden ihrem Mann die Ausreise verweigern wollen.

Sarkuhi habe Details über die Haft und seinen Prozeß, der im vergangenen September vor einem Revolutionsgericht stattfand, berichtet. Bei diesem Verfahren, zu dem keine Verwandten oder Beobachter zugelassen worden waren, mußte er sich selbst verteidigen. Er habe gefordert, daß von der Anklage präsentierte Unterlagen mit seiner Unterschrift als Beweismittel abgelehnt würden, da sie unter Folter zustande gekommen seien. Das Gericht habe dem zugestimmt.

Verwandte und Freunde hatten befürchtet, Sarkuhi solle mit erpreßten „Geständnissen“ wegen Spionage kurzer Prozeß gemacht werden. Tatsächlich wurde er dann wegen Propaganda gegen Irans Regierung verurteilt. Sarkuhi erklärte seiner Frau gestern, das Urteil – ein Jahr Haft – sei für dieses „Vergehen“ ungewöhnlich hoch ausgefallen, weil er sich geweigert habe, „Reue“ für zwei aus dem Land geschmuggelte Briefe zu zeigen. In einem davon hatte er Anfang 1997 geschildert, wie der iranische Geheimdienst systematisch versuchte, ihn durch Folter zu brechen (die taz berichtete).

Das Auswärtige Amt in Bonn bestätigte gestern die Nachricht über die Freilassung Sarkuhis. Über die Deutsche Botschaft in Teheran versuche man, weitere Informationen zu bekommen. Bundesaußenminister Klaus Kinkel hatte in der Vergangenheit betont, seine Mitarbeiter machten sich hinter den Kulissen in Teheran für Sarkuhi stark. Der deutsche Einfluß im Iran sei aber durch das Berliner Mykonos-Urteil im Frühjahr 1997 stark gemindert worden. Nachdem das Berliner Kammergericht in seinem Urteil die iranische Staatsführung beschuldigt hatte, den Auftrag zum Mord an vier oppositionellen iranischen Kurden in Berlin gegeben zu haben, hatte Irans Staatsführung den deutschen Botschafter Horst Bächmann zur persona non grata erklärt. Doch Bächmann ist seit Dezember wieder an seinem Arbeitsplatz. Und am Dienstag erklärten die EU-Außenminister, sie wollten ihre Iranpolitik wohlwollend überprüfen. Das Signal wurde gestern vom iranischen Außenministerium als „Schritt zu mehr Realismus“ begrüßt.

Besorgnis löste gestern eine Nachricht der staatlichen iranischen Agentur Irna aus. Am Morgen sei der Chefredakteur der englischsprachigen Tageszeitung Iran News, Mortesa Firusi, zum Tode verurteilt worden, hieß es darin. Iran News steht dem iranischen Außenministerium nahe. Firusi hatte im vergangenen Frühjahr den Wahlkampf des konservativen Präsidentschaftskandidaten Ali Akbar Nateq Nuri geleitet. Kurz nach dessen Niederlage gegen den vergleichsweise liberalen Mohammad Chatami war Firusis Verhaftung bekanntgeworden. Das Urteil kam gestern völlig überraschend. Auf Nachfrage teilte Iran News mit, es könne noch vom Obersten Gericht aufgehoben werden.

Thomas Dreger Tagesthema Seite 3