Durchs Dröhnland
: Kompliziert geht auch

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Plötzlich wieder da sind V- Mann Joe, die sich zu Beginn der 90er mit sattem Haß-Punk eine treue Gefolgschaft erspielten. Nachdem der Schlagzeuger abhanden kam – und nach zwei Jahren Pause –, wendet sich nun ein Großteil der alten Klientel mit Grausen, denn die drei Berliner aus Mannheim haben den Weggang des Trommlers mit allerlei elektronischem Spielzeug kompensiert. Nun tobt der Sequenzer und schaben die Samples, während eine altmodische Punkgitarre versucht, die Oberhand zu behalten. Das Ganze ist immer noch Punkrock, hat aber nun einen ganz anderen Wumms, ist also mithin so ziemlich genau dasselbe wie Prodigy, wenn auch des öfteren wesentlich transparenter. Auch die Texte sind ähnlich rudimentär, mehr als ein paar markante Wörter kriegt man kaum mal zugeworfen, aber mehr würde dieser Overkill auch kaum vertragen. Nun muß sich Frontmann Joe nur noch Teufelshörnchen aus Haupthaar stehen lassen.

30.1., 20.30 Uhr, Trash, Oranienstraße 40, Kreuzberg, und ebenfalls am 30.1., 23 Uhr, Supamolly, Jessnerstraße 41, Friedrichshain

Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht, hat sich wohl Geoff Barrow gedacht, als er die zweite Platte seiner Kapelle Portishead plante. Warum einfach ein paar Streicher von anderen Platten sampeln? Das ist doch viel zu simpel. Statt dessen engagiert man ein Orchester, läßt die was spielen, nimmt das auf, preßt es auf Vinyl und sampelt dann. Schlußendlich kann einem egal sein, was für obskure Sachen Künstlerhirne sich ausdenken, und jemand, der von seinem Debüt 2,5 Millionen Stück verkauft hat, kann sich wahrscheinlich sowieso alles leisten. Auch eine dann doch ziemlich sperrige Platte zu machen, die erklärtermaßen mehr von Filmmusik als von einem Abend im Club hat. Also auch die Bristol-Connection scheint sich nun endgültig aus der Disco zu verabschieden und es sich im Ohrensessel bequem zu machen.

30.1., 21 Uhr, Arena, Eichenstraße 4, Treptow

4-Spur-Recorder sind diese komischen Geräte, die man ganz billig beim Technik-An- und -Verkauf kriegt, weil alle die Dinger eingesetzt haben, um sich einen Sampler zuzulegen. Wer heutzutage so was noch benutzt, ist entweder ganz hinter der Zeit, ausgesprochen arm oder ein Spinner. Solche Spinner geben sich so Namen wie Math-Ice und schrecken auch vor Bandnamen wie Fuschimuschi nicht zurück. Und wir reden hier nicht von der 1. Allgemeinen Verunsicherung. Tatsächlich ist Herr Math-Ice auf Platte bei weitem nicht so klamaukig, wie sich das jetzt anhören mag. Eher schon ein Bastler, der den Groove hat. Den haben jedenfalls die meisten seiner Stücke, die sich zwar natürlich nach 4-Spur anhören, aber halt auch wie zu Größerem geboren. Andererseits wären die kleinen Miniaturen über das Herumsitzen in WG-Küchen oder die Armseligkeit des Mozzarellas, wären sie als Großartig-Pop angelegt, bestimmt nicht mehr so schön. Dieses Dilemma, wenn es denn eins gibt, löst sich hier einfach in Wohlgefallen mit Doofwitz und Sprachverwirrung von Zeit zu Zeit auf. Kurz: Das Zweitbeste, was Dir diese Woche passieren kann.

30.1., 22.30 Uhr, Roter Salon der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, Mitte

Die schöne alte Hardcore- Sause inklusive straight edge spielen auch heute noch Cause for Alarm, weil sie das vor anderthalb Jahrzehnten auch schon machten. Trotz einer zwischenzeitlichen Trennung sind Überraschungen bei den New Yorkern da natürlicherweise eher rar gesät. Aber in dem Genre ist auch Verläßlichkeit eine nicht unerhebliche Qualität.

1.2., 21 Uhr, Die Insel, Alt-Treptow 6, Treptow

Wenn Indie-Rock seine Rettung nötig hätte, könnte man ihn mit Hilfe von Grandaddy ausrufen. Das Quintett aus dem kalifornischen Städtchen Modesto verknüpft die Leichtigkeit von Pavement mit der Schrulligkeit von Sebadoh und erweitert das mit Glöckchen oder piepsigen Kaufhaus-Keyboards. Ansonsten geben sich die fünf, die teilweise geradezu unglaubliche Bärte ihr eigen nennen, als Verweigerer der üblichen Business- Spielregeln, wollen nicht in eine größere Stadt umziehen, keine rechte Karriere machen, und in seinen Texten arbeitet Jason Lytle am liebsten damit, klassische Klischees einfach umzudrehen. So ist „Summer Here Kids“ keine Lobpreisung des Sommers, sondern eine Absage: Er bleibt lieber zu Hause und legt eine Platte auf, anstatt sich einen Sonnenbrand zu holen. Es gibt auch Songs, die heißen „Collective Dreamwish of Upper Class Elegance“. Wenn ein Song dann ganz simpel von Heimweh handelt, kann man sicher sein, daß er sich um so kränker anhört. Kurz gesagt: Grandaddy sind das Beste, was Dir diese Woche passieren kann.

2.1., 21 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg

Ein amerikanisches Besatzungskind strandet in Wiesbaden und sucht sich drei Mitstreiter, um sich dann eher ziemlich englisch anzuhören. Readymade geben sich als letzte große Hoffnung englischsprachiger Popmusik aus Deutschland und funktionieren dabei ziemlich gut. Jedenfalls besser als Jeremy Days und Konsorten. Wirklich gut sind Readymade dann, wenn sie ganz harmlos nicht mehr als Pop versuchen wie in der Single „All These Things“, die sie in einem englischen Weekly lieben würden. Der Rest, vor allem die eher amerikanisch wirkenden vertonten Besinnungsaufsätze, sind manchmal etwas angestrengt. Trotzdem mögen sich alle ihre Wünsche erfüllen. „When I grow up“, singt Zachary Johnson, „I wanna drive a garbage truck.“ Endlich mal jemand mit realistischen Träumen.

Mit Travis, 3.2., 20.30 Uhr, Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg Thomas Winkler