Grüne wollen frühe Neuwahlen

■ Die Fraktionsvorsitzenden Renate Künast und Michaele Schreyer wollen den Druck auf die Große Koalition erhöhen. "Berlinpaß" mit Ermäßigungen für Sozialhilfeempfänger gefordert

Die Grünen streben vorgezogene Neuwahlen zum Abgeordnetenhaus an. Sie sollen zeitgleich mit der Bundestagswahl am 27. September 1998 stattfinden und nicht erst, wie vorgesehen, im Herbst 1999, erklärten gestern die Fraktionsvorsitzenden Renate Künast und Michaele Schreyer. Die Große Koalition sei „entscheidungs- und handlungsunfähig“. Anstatt die Probleme der Stadt zu lösen, sei ein „totaler Stillstand“ eingetreten.

Neuwahlen werde es nur geben, wenn ein Koalitionspartner aus dem desolaten Regierungsbündnis aussteige, sagte Schreyer. „Wir kämpfen dafür, daß ein rot-grünes Bündnis noch bessere Umfragewerte erzielt, damit die SPD den Mut für den Ausstieg aus der Koalition bekommt.“

Künast sagte, die Grünen wollten den zunehmenden Unwillen über die Große Koalition bündeln. Mit anderen Organisationen solle der Druck auf die Große Koalition erhöht werden. Sie betonte jedoch, es gebe „keine konkreten Zeitpläne und keine Absprachen hinter den Kulissen“. Die Fraktionschefinnen verwiesen darauf, daß es zwischen SPD und Grünen in vielen Politikbereichen mehr Übereinstimmung gebe als zwischen SPD und CDU. Dies gelte beispielsweise für die Arbeitsmarkt- und Haushaltspolitik.

Als einen Schwerpunkt der grünen Fraktion nannte Künast gestern die Jugend- und Sozialpolitik. Für Sozialhilfeempfänger, die mehr als sieben Prozent der Berliner Bevölkerung ausmachten, will die Fraktion ein Konzept für einen „Berlinpaß“ vorlegen. Er soll einen ermäßigten Zugang zu Bildungs- und Freizeitangeboten ermöglichen. Daß ein ähnlich konzipierter „Familienpaß“ des Senats gescheitert sei, liege daran, daß Jugendsenatorin Stahmer dies „nicht engagiert“ angepackt habe, sagte Schreyer. Schwimmbäder, Museen und Freizeiteinrichtungen hatten vom Senat einen Ausgleich für entgangene Einnahmen gefordert. Anstatt diese Forderung wie Stahmer zu akzeptieren, wollen die Grünen einen anderen Weg gehen. „Einrichtungen, die mit öffentlichen Geldern gefördert werden, können verpflichtet werden, für Sozialhilfeempfänger verbilligte Eintrittspreise anzubieten“, sagte Schreyer. Den Museen gingen dadurch auch keine Einnahmen verloren, denn ansonsten würden die Menschen „wegen der prohibitiv hohen Eintrittspreise“ ein Museum gar nicht erst betreten. Dorothee Winden