Ein prima Polo aus Dänemark

Die EU-Kommission verdonnert VW zu 202 Millionen Mark Geldbuße, weil der Konzern Druck auf Händler ausübte, Reimporte zu verhindern. VW will dagegen klagen  ■ Von Jürgen Voges

Hannover (taz) – Volkswagen habe die Verwirklichung des europäischen Binnenmarktes in Frage gestellt, so begründete EU-Wettbewerbskommissar van Miert in Brüssel das Rekordbußgeld gegen den Wolfsburger Autokonzern von 202 Millionen Mark. Zehn Jahre lang habe VW Vertragshändler in Italien systematisch davon abgehalten, Audi und VW an Kunden aus Deutschland und Österreich zu verkaufen. Diese Strategie wertet die EU-Kommission als schweren Verstoß gegen europäisches Wettbewerbsrecht. Van Miert sah auch Verbraucherrechte verletzt: „Verbraucher haben das Recht, ein Fahrzeug zu kaufen, wo sie wollen.“

Wer als Autokäufer dieses Recht, das uns der europäische Binnenmarkt beschert hat, tatsächlich wahrnahm, konnte und kann heute erheblich sparen. Die Verkaufspreise ab Werk, die Autobauer von den europäischen Händlern verlangen, differieren je nach Bestimmungsland des Wagens erheblich. So kosten in Italien VW zur Zeit etwa 10 Prozent weniger. In den Jahren 1993 bis 1995, als die Lira gegenüber der Mark kräftig abgesackt war, betrug die Preisdifferenz sogar 30 Prozent.

Auch in Dänemark kann man Schnäppchen machen. Die Dänen selbst müssen beim Autokauf nicht nur 25 Prozent Mehrwertsteuer, sondern auch bis zu 200 Prozent Zulassungs- und Luxussteuer berappen, für sie kann ein VW Polo umgerechnet beinahe 60.000 Mark kosten. Für Ausländer entfällt die Steuer. Nach Angaben des Bundesverbandes der freien Kfz-Importeure (KFI) müßten sie in Dänemark eigentlich für einen Polo nur 15.200 Mark bezahlen. Beim VW-Händler in Deutschland kostet das gleiche Fahrzeug laut Listenpreis 19.999 Mark. Volkswagen gibt bestimmte Pkw billiger an dänische Händler ab, damit die Dänen bei den hohen Steuern überhaupt noch Autos kaufen.

Allerdings ist es bis heute für Kunden aus Deutschland oft schwierig, in Dänemark einen Polo zum dortigen Listenpreis zu erwerben. Nicht nur der Verband der freien Händler berichtet von plötzlichen Lieferschwierigkeiten oder überhöhten Preise, die die dänischen VW-Vertragshändler von deutschen Kunden verlangen.

Beschwerden von Kunden über ähnlich abschreckende Praktiken italienischer Vertragshändler hatten das Verfahren der EU-Kommission gegen Volkswagen ausgelöst. Bei Durchsuchungen in Italien und Deutschland hatte die EU-Kommission dann schon 1995 Beweise dafür gefunden, daß Volkswagen selbst für das unfreundliche Verhalten seiner Vertragshändler in Italien verantwortlich war. Demnach wurden italienische Vertragshändler von VW nicht nur aufgefordert, an deutsche Kunden keine Autos zu verkaufen. Nach den Recherchen der EU- Kommission hat VW sogar 50 italienischen Händlern mit der Kündigung ihres Vertrages gedroht oder weniger Fahrzeuge geliefert.

Wie viele deutsche Autokäufer inzwischen tatsächlich einen reimportierten Wagen fahren, weiß niemand genau. Die Schätzungen variieren mit dem Interesse: Der bestrafte Volkswagen-Konzern etwa erklärt, daß nur 2,1 Prozent aller 1997 zugelassenen VW und Audi auf deutschen Straßen im Ausland gekauft wurden. Die Vertragshändler sprechen von 10 bis 12, der KFI sogar von 15 bis 18 Prozent, sie leben von den Importen. Diese freien Auto-Importeure, die professionellen Wiederverkäufer, habe man in der Vergangenheit am Einkauf deutscher Autos im Ausland gehindert, behauptet VW bis heute. Gegen die Geldbuße will der Konzern vor dem Europäischen Gerichtshof klagen.

Natürlich sind auch andere Automarken in den verschiedenen EU-Ländern unterschiedlich teuer. Opel etwa bezifferte den Anteil der Reimporte mit 1,5 Prozent, Ford sogar mit 3 bis 4 Prozent. Die beiden Firmen geben aber an, nie Händler unter Druck gesetzt zu haben. Doch van Miert blieb bei seiner Aussage, es müßten noch weitere Autofirmen mit Strafen rechnen.