Survey „Stratiké“

Survey ist ein englischer Begriff für eine Oberflächenforschung ohne Grabung. Es handelt sich um eine archäologische Methode, mit der man ganze Landschaftsregionen erfaßt, indem man alles auswertet, was man im Gelände markieren, sehen und finden kann.

Die Technik wurde im frühen 19. Jahrhundert zunächst zu militärischen Zwecken entwickelt, um etwa die Zahl türkischer Kanonen im noch besetzten Griechenland zu erkunden. Doch hatte der gebildete englische Offizier auch die antiken Klassiker in der Pferdetasche, nach deren Beschreibungen er antike Örtlichkeiten bestimmte.

In der Archäologie unterscheidet man zwischen „extensiven“ und „intensiven“ Surveys. Der extensive Survey beschränkt sich darauf, vermutete Fundplätze aufzusuchen, deren topographische Eigenheiten auf Siedlungen, Heiligtümer usw. verweisen. Für das Territorium von Stratos (nach antiken Quellen Stratiké genannt) bot sich ein intensiver Survey an; dabei werden mit großem Personal- und Kostenaufwand sämtliche begehbaren Flächen abgelaufen. Das waren im Fall von Stratiké etwa 130 Quadratkilometer, die auf Zeugnisse aller Epochen untersucht wurden: von der Steinzeit bis zu den Wüstungen, die erst vor 40 Jahren durch die Abwanderung von „Gastarbeitern“ entstanden.

1992 begann das Projekt – über fünf Jahre finanziert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft – als Kooperation zwischen dem zuständigen Antikendienst in Patras und dem Deutschen Archäologischen Institut sowie den Althistorischen Seminaren der Universitäten Freiburg und Münster und Geographen/Geologen der Universität Heidelberg. Damit war gewährleistet, daß die Erkundungsgruppen aus Fachleuten und Studenten bestehen, die alle wichtigen Disziplinen vertreten: Archäologen, Prähistoriker, Architekten, Byzantinisten usw.

Die Gruppen umfaßten jeweils fünf Läufer und einen geübten Leiter. Die Läufer bilden eine Kette. Bei schlechter Sicht und dichter Bodenvegetation halten sie maximal fünf Meter, bei guter Sicht etwa zehn Meter Abstand. Bei freier Übersicht ist ein Abstand von 15 bis 20 Metern zulässig, wobei dann mäandrierend gelaufen wird.

Bei einem Survey ist noch der kleinste Fund wichtig. Selbst einzelne Scherben können als background noise die Nähe einer verdeckten Siedlung anzeigen. Bei größeren Scherbenmengen werden die Fundstellen geodätisch vermessen und in repräsentative Felder aufgeteilt und genormte Teilflächen von vier Quadratmetern dann restlos abgesammelt.

Die archäologische Auswertung erfordert die Bestimmung der Befunde nach Datierung, Form, Materialart und Funktion. Das ermöglicht in der Summe eine abgesicherte Aussage über die Art und Abfolge der historischen Siedlungsaktivitäten.

Die von den Läufern dokumentierten Eingriffe des Menschen in die Umwelt (kultivierter Bewuchs, Terrassierungen usw.) sind ohne naturwissenschaftliche Methoden meist nicht datierbar. Deshalb sind an der Auswertung des Survey auch Palaiobotaniker und Palaiozoologen, Spezialisten der Radiokarbondatierung usw. beteiligt. Ernst-Ludwig Schwandner