Terror in Luxor

Die Mörder kamen im Morgengrauen, und sie hatten leichtes Spiel. Am frühen 17. November vergangenen Jahres hatten sich mehrere Touristengruppen vor dem Tempel der Pharaonenkönigin Hatschepsut im oberägyptischen Luxor versammelt und lauschten ihren Reiseführern. Plötzlich fielen Schüsse. Dann stürzten sich sechs Attentäter auf die ausländischen Besucher und metzelten innerhalb von eineinhalb Stunden mit Gewehren und Messern 58 Touristen und vier Ägypter nieder. Nach Berichten Überlebender führten die Mörder nach vollbrachter Tat einen Freudentanz auf und entschwanden schließlich über die Berge in die Wüste. Erst dann erschienen die eigentlich an dem Tempel stationierten Polizisten und nahmen die Verfolgung auf. Laut offizieller Darstellung starb einer der Attentäter, der von Polizistenkugeln am Bein verletzt worden war, durch die Hände seiner Kumpane. Die anderen wurden von Polizisten erschossen. Die Mörder gelten als Mitglieder der Gamaa al-Islamia, der illegalen Islamischen Gruppen. Zwar beeilten sich die mehrheitlich in ägyptischen Gefängnissen sitzenden Führer der Organisation, das Massaker zu verurteilen. Doch prompt kam einen Erklärung der in Afghanistan ausharrenden Auslandsführung der Gruppe – Tenor: Wir waren es! Gegenüber dem Spiegel rechtfertigte schließlich der in London lebende Ideologe der Islamischen Gruppe, Mustafa Hamsa, die Bluttat: „Wir führen einen gottgewollten Kampf gegen den mit dem Teufel verbündeten ägyptischen Staat. Wir haben alle Touristen gewarnt. Sie sind nicht willkommen.“ Die Ägyptenbegeisterung der Fremden bezwecke, „das Gedenken an die pharaonischen Götzendiener zu verewigen“.

Mit dem Vorwurf des unislamischen „Pharaonismus“ hatten Islamisten bereits 1981 den Mord an dem damaligen Staatspräsidenten Anwar as-Sadat legitimiert. Inzwischen führen die militanten Staatsgegner nicht nur Krieg gegen Repräsentanten der Staatsführung, einfache Polizisten und Mitglieder der christlichen Minderheit der Kopten sondern auch gegen Touristen.

1992 nahmen Unbekannte erstmals ein Nilkreuzfahrschiff vom Ufer aus unter Beschuß. 1994 starben bei einem Anschlag in der Touristenhochburg Hurghada am Roten Meer zwei Deutsche und zwei Ägypter. 1996 erschossen in Kairo in der Nähe der Pyramiden Attentäter 17 Griechen. Begründung der Islamischen Gruppen: Man habe die Besucher für Israelis gehalten. Im September vergangenen Jahres warfen Islamisten einen Brandsatz in einen vor dem Ägyptischen Museum in Kairo geparkten Touristenbus. Neun Deutsche starben.

Die Strategie der militanten Islamisten, die ägyptische Tourismusindustrie zu treffen – neben dem Ölexport die zweitwichtigste Einnahmequelle des Staates –, geht auf. 370.000 Touristen stornierten Ende vergangenen Jahres ihren Weihnachtsurlaub am Nil. Umgerechnet eine Milliarde Mark verlor Ägyptens Staatshaushalt dadurch, und die Verluste gehen mit den ausbleibenden Frühjahrstouristen weiter. Im Ägyptischen Museum in Kairo ging der Tageserlös von täglich umgerechnet 50.000 auf 10.000 Mark zurück. Jeder sechste Arbeitsplatz in Ägypten hängt vom Tourismus ab.