■ Vorlauf
: Lilo mit den Titten

„Pi – Die Polizistin“, 22.20 Uhr, ZDF

Selbst wenn das Fernsehen Kollektivpsychosen wie „Dr. Stefan Frank“ erfindet, bleibt es doch ein Abbild des sogenannten wahren Lebens. So lautet eine Medientheorie. Widerlegt wird dieselbe jetzt durch ein kleines Fernsehspiel: „Die Polizistin“ heißt Lilo Pleschinsky. Zwecks Aufklärung mehrfach tödlicher Vereinigungskriminalität reist sie – wenn auch widerwillig, so doch mit pflichtbewußt zusammengebissenen Zähnen – nach Eisenhüttenstadt an die Oder. Eisenhüttenstadt sieht in diesem Film komisch aus, nämlich gar nicht wie Eisenhüttenstadt.

Als mehrfach geprüfte Eisenhüttenstädterin mit dort ansässigen lieben Anverwandten (huhu, Omi!) muß ich das wissen. Man sieht in Carolin Ottos Film einerseits nur trostlose Neubaublocks, auf neudeutsch „Platte“ geheißen, und keine sanierten, obwohl auch die reichlich vorhanden wären. Man erblickt andererseits auch keine Eisenhüttenstädter, d.h. höchstens fünf, und die reden hessisch oder auch hamburgerisch – so genau kann ich das immer nicht unterscheiden. Kurzum: Eisenhüttenstadt ist nicht recht bewohnt, jedenfalls nicht von Eisenhüttenstädtern. Fernsehen, liebe Medientheoretiker, bildet das Leben nicht im entferntesten ab. Stellen Sie sich nur ein kleines Fernsehspiel vor, welches in Memmingen oder Freiburg spielt, und alle berlinern oder sächseln! Soviel dazu. Kein Wunder, daß die Polizistin Lilo ihren Ekel vor dieser Zumutung von Umgebung nicht verbirgt. Auch scheint es, als säße Lilo die frühe Liz Phair im Ohr, so herzhaft zotet sie sich an den Verbrechern vorbei, die Lilos historische Aufarbeitungsbereitschaft nicht anerkennen wollen. Lilo soll wohl ein tough cookie sein, ist aber nur eine Schnapsdrossel und, menschlich gesehen, zu wie eine Auster. Zuletzt: Ottos Film behauptet frech, daß Lilo sich in Eisenhüttenstadt ein glitzerndes Abendkleid kauft. In Eisenhüttenstdt kann man aber keine Abendkleider kaufen, weil sich das ehemalige Kaufhaus „Magnet“ (drei Etagen) seit 18 Monaten fest in den Händen von „Humana“ (keine Abendgarderobe) befindet. Mehr ist dazu nicht zu sagen, liebes ZDF. Anke Westphal