Attentat in Spanien

■ Erstmals ermordet die ETA einen Gemeinderat außerhalb des Baskenlandes

Madrid (taz) – Die Uhr der Kathedrale von Sevilla hatte gerade halb zwei Uhr morgens geschlagen, als ein Unbekannter von hinten an den konservativen Stadtrat Alberto Jiménez Becerril und dessen Frau Ascensión Garcia herantrat und deren Nachtspaziergang durch die Altstadt mit zwei Schüssen ein jähes Ende bereitete. Die Ermittlungsbehörden machen die baskische ETA für den Anschlag verantwortlich.

Sollte das stimmen, wäre Jiménez Becerril seit Juli vergangenen Jahres der vierte Kommunalpolitiker der in Spanien regierenden konservativen Volkspartei, der von der ETA ermordet wurde. Damals entführte die ETA den Gemeinderat im baskischen Ermua, Miguel Angel Blanco, und erschoß ihn 48 Stunden später. Jiménez Becerril und seine Frau wären die ersten Opfer dieser blutigen Kampagne außerhalb des Baskenlandes.

Die Regierung in Madrid hatte den baskischen Behörden in den letzten Wochen und Monaten immer wieder vorgeworfen, die PP- Politiker nicht ausreichend zu schützen. Erst Anfang der Woche hatte die Madrider PP-Zentrale ein Spendenkonto eingerichtet, von dem private Leibwächter für die 166 konservativen Gemeinderäte im Baskenland bezahlt werden sollen. Der Mord in Sevilla führt die Kampagne ad absurdum. Persönlicher Schutz für alle knapp 25.000 PP-Gemeinderäte im gesamten spanischen Staat ist nicht finanzierbar.

Die ETA-Führung erntet für ihre Kampagne gegen die PP-Gemeinderäte auch aus den eigenen Reihen immer stärkere Kritik. Am vergangenen Sonntag veröffentlichte die spanische Presse einen Brief von José Luis Álvarez Santacristina, der bis zu seiner Verhaftung 1992 in Südfrankreich als Chefideologe der Separatisten galt. „Wenn wir die Bilanz der letzten Jahre ziehen, können wir da ernsthaft behaupten, daß der bewaffnete Kampf uns auf dem Weg der Freiheit für das Baskenland weitergebracht hat?“ fragt er und schließt sich in seinem Brief einer Gruppe von anderen historischen ETA-Gefangenen an, die seit Monaten von der ETA-Führung eine sofortige Waffenruhe verlangen, um Gespräche mit Madrid zu ermöglichen. Reiner Wandler