Ein Touchdown in eigener Sache

■ Rauhe Sitten bei den Cheerleader-Ausscheidungen. Nur die besten dürfen Footballer anfeuern

Große Chancen rechnet Nadine sich nicht aus. „Von 15 Bewerberinnen werden nur fünf genommen, und ich komme bei den Tanzschritten immer durcheinander.“Die Schülerin will es dennoch versuchen, ein Mitglied der Grey Angels zu werden, ein reines Cheerleading-Frauenteam, Alter über 16 Jahre.

„Vor einer Woche habe ich den Zettel mit den Grundschritten bekommen, seitdem mußte ich jeden Tag üben“, erzählt die 17jährige, die es einfach „voll cool“findet, wie bei den Footballspielen der Hamburg Blue Devils eingeheizt wird. „Es ist eine große Herausforderung, vor Tausenden von Fans zu tanzen. Das macht nicht jeder.“

Daß zuvor selektiert wird, ist für Nadine okay: „Es gibt nur 40 freie Plätze.“Um die streiten sich 80 Teenies, die nach einer ersten Begutachtung am vergangenen Wochenende von ursprünglich 140 Bewerberinnen übrig geblieben sind. Jungs trauen sich meistens nicht.

In der Aula der Altonaer Gewerbeschule Eckernförder Straße warten die Nachwuchs-Cheerleader auf den Beginn der „Tryouts“, der Gelegenheit zum Vorturnen. Nervöses Zupfen an den Sportdresses macht die Runde. Eine laute Frauenstimme bringt die plappernde Menge zur Ruhe. „Dies ist also der harte Kern, viel Glück“, begrüßt Organisatorin Britta Friedrich die Teilnehmerinnen.

Begonnen wird mit einem gemeinsamen Aufwärmtraining. Vier Blue Angels geben auf der Bühne den Takt vor, stretchen – und grinsen. Der Nachwuchs konzentriert sich aufs Mithüpfen. Wenig später beginnt der ernste Teil. Eltern und andere Unbeteiligte müssen raus. Die „Judges“– sie beurteilen Ausstrahlung, Taktgefühl und Körperhaltung – nehmen gegenüber der Bühne Platz. Alle sind gestandene Cheerleader. Sie notieren mit kritischer Miene, was ihnen an den einzelnen Vortänzerinnen auffällt.

In Dreier-Gruppen kommen die Kandidatinnen nacheinander auf die Bühne, warten verlegen auf das Einsetzen der Musik und das Startkommando. Die einstudierten Schrittfolgen werden vorgeführt. „Touchdown, touchdown, we want a Devils-Touchdown“, fordern nacheinander 15 Kinder.

Alle wollen zu den Peewee Angels, den jüngsten Cheerleadern. Der englische Text wurde ihnen vorher zwecks fehlerfreier Aussprache aufgeschrieben. Dennoch wird aus einem Touchdown schon mal ein Tatschdaun. Trotz guter Vorbereitung geht nicht alles glatt. Als ein Mädchen beim Tanzen aus dem Takt kommt und einfach stehenbleibt, werden ihre Mitbewerberinnen nervös. Irritierte Seitenblicke, sie verhaspeln sich ebenfalls. Am Ende rührt sich keine mehr. „Ihr müßt einfach weitermachen, egal wo die anderen sind“, fordert Britta Friedrich, früher selber Trainerin, und geißelt die Unprofessionalität der Novizinnen: „Jeder macht hier nur sein eigenes Ding.“

Mit einem leisen „Och, Scheiße“verläßt die vermeintliche Versagerin den Raum. Die Judges urteilen: „Kann passieren. Danke schön, Tschüß.“Nächste Woche weiß auch Nadine, ob sie genommen wird. Miguel Hoeltje