"Ein Scheitern hat weitreichende Wirkungen"

■ Innensenator Jörg Schönbohm (CDU): "Wenn die Bezirksreform komplett scheitert, dann ist die Große Koalition am Ende." Die Bezirksreform im Jahre 1999 zu vollziehen ist "mit Sicherheit besser" al

taz: CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky hat jetzt gefordert, die Fusion Berlin-Brandenburg müsse wieder ein Ziel sein.

Jörg Schönbohm: Absolut. Wir müssen in Zusammenhang mit den Überlegungen zum Länderfinanzausgleich, dem Umzug der Bundesregierung, der Größe der Bundesländer einen neuen Anlauf machen. Man müßte sich vorher noch einmal darüber unterhalten, auf welcher Basis das zu geschehen hat. Die Fusion ist ein sachlicher und emotionaler Vorgang. Und ich glaube, sie ist an der Emotionalität der Brandenburger gegenüber Berlin gescheitert. Aus der Erfahrung von Ostberlin als Hauptstadt der DDR und was damit zusammenhängt. Darum braucht es Zeit. Es ist aber gut, wenn die Diskussion darüber beginnt und man sich darauf einstellt, die Fusion 2004 noch einmal zu versuchen.

Nun verknüpft Klaus Landowsky das Jahr 2004 gleich mit der Bezirksgebietsreform. Ist das ein Königsweg, um Mehrheiten für diese Vorhaben zu bekommen?

Das ist im Moment noch nicht abzusehen. Wir haben im Senat vorgeschlagen – und ich stehe zu diesem Vorschlag: zwölf Bezirke 1999. Aber wenn dies nicht durchsetzbar ist, weil wir eine Zweidrittelmehrheit brauchen und weil die PDS und die Grünen sich diesem Reformvorhaben verweigern, dann müssen alle Abgeordneten von CDU und SPD zustimmen. Deshalb ist jetzt die Stunde der Fraktions- und Parteivorsitzendenden. Und wenn Klaus Landowsky als Fraktionsvorsitzender so einen Vorschlag macht, dann wird er vielleicht auf diese Art und Weise eine größere Chance sehen, zu einer Einigung zu kommen. Eine Reform 1999 wäre richtig, aber wenn die nicht erreichbar ist, müssen wir nach Alternativen suchen. Und wenn es eine Jahrhundertreform ist, dann kommt es darauf an, daß sie auf die Beine gestellt wird.

Nun hört sich 2004 eher wie eine Verschiebung auf die ganz lange Bank an. Kann das dem Vorhaben gut tun – und auch der Verwaltungsreform?

Es gibt einen sehr engen Zusammenhang zwischen der Verwaltungs- und der Bezirksreform. Von daher wären Entscheidungen jetzt in diesem Jahr, die ab 1999 umzusetzen sind, mit Sicherheit besser. Aber wenn die Entscheidungen anders fallen und sie wirken sich dann im Jahr 2004 – also nach der nächsten Wahl zu den Bezirksverordnetenversammlungen – erst aus, dann müßte man jetzt Übergangslösungen finden, die eine Art Zusammenarbeit zwischen den Bezirken regeln. Wir müssen auch in diesem Fall Parlamentsentscheidungen in Verwaltungshandeln umsetzen.

Gerade in der CDU gibt es viel Ärger um die Bezirksreform. Meinen Sie, daß sie unter dem Vorzeichen 2004 eine größere Mehrheit in der Union geben kann?

Es geht dabei ja um die Zwei- drittelmehrheit, und die steht für mich im Augenblick in keiner der beiden Parteien, weder bei der SPD noch bei der CDU fest. Von daher ist das Thema wirklich sehr spannend, wir haben noch genau acht Wochen Zeit. Denn das Parlament will am 26. März entscheiden. Bis dahin müssen alle Möglichkeiten ausgelotet werden, um auf der Basis des Senatsvorschlages zu einer Entscheidung zu kommen.

Bleibt dabei auch die bereits diskutierte Idee aktuell, eventuell nur mit einer einfachen Mehrheit zu entscheiden?

Auf diese Möglichkeit hat schon Justizsenator Körting (SPD) mit seinen Erfahrungen als Verfassungsrichter hingewiesen. Wir haben die Variante in der Innenverwaltung geprüft und schon vor längerer Zeit auch im Senat vorgetragen. Es bleibt jedoch dabei ein Restrisiko: die Bewertung des Entstehens von Verfassungformulierungen läßt einen gewissen Interpretationsspielraum offen. Und wir – nur um auf der ganz sicheren Seite zu sein, die ausschließt, daß das Gesetz vor dem Verfassungsgericht keinen Bestand hat – schlagen vor, bei der verfassungsänderenden Mehrheit zu bleiben.

Hinzu kommt ein zweiter Punkt, der für die Union ganz wichtig ist. Wir wollen das sogenannte politische Bezirksamt nicht einführen, sondern die Verfassung so ändern, daß die Mitglieder des Bezirksamtes auch in Zukunft nach dem d'Hondtschen Verfahren ausgewählt werden. Dafür muß die Verfassung in jedem Fall geändert werden.

Besteht für Sie – wenn im März kein Gesetz verabschiedet wird – die Gefahr, daß das auch ein Bruchpunkt der Großen Koalition sein kann? Sozusagen ein Vorwand für die SPD, aus der Koalition auszusteigen?

Ja, da liegt ein Teil meiner Sorge, daß dieses wichtige Vorhaben von anderen genutzt wird; also ein Teil des linken Flüges der SPD versucht, auf diese Art und Weise die Koalition zu schädigen. Wenn ich mir die Übereinstimmungen der Koalition in vielen Politikfeldern angucke, Sozial-, Wohnungsbaupolitik und auch Innneres, dann wäre schon noch ein gemeinsamer Vorrat. Aber ich habe das Gefühl, daß die Bezirksreform zu sehr zum Prüfstein für die Große Koalition hochstilisiert wird. Frei nach dem Motto: Wenn die Koalitionsfraktionen diesem Gesetzesvorhaben nicht mit Zweidrittel- mehrheit zustimmen, ist der Vorrat aufgebraucht. Ich halte dies für falsch. Aber die Erwartungshaltung wird von vielen in diese Richtung geschürt. Auf der einen Seite um Druck auszuüben, damit man die Reform durchbringt. Das verstehe ich. Aber man muß aufpassen, daß man dabei nicht überzieht. Denn was sind denn die Alternativen? Nachher haben wir gar nichts.

Aber die Erwartung ist doch auch berechtigt. Große Koalition heißt doch auch große Mehrheit. Deswegen wird die Öffentlichkeit nicht verstehen, wenn auch das nächste große Reformvorhaben scheitern würde.

Das ist sicher eine Kette: Olympia, Fusion Berlin-Brandenburg und nun dieses. Wenn das scheitert, hat es weitreichende politisch- psychologische Auswirkungen. Darum fände ich es gut, jetzt auf der Basis unseres Vorschlages ein mehrheitsfähiges Gesetzespaket zu schnüren, das mit Zweidrittel- mehrheit abgestimmt wird. Aber es gibt noch Fragezeichen.

Die Bezirksgebietsreform ist nicht das einzige Thema, an dem über vorgezogene Neuwahlen nachgedacht wird. Ist denn bei der Großen Koalition eine Grenze der Handlungsfähigkeit erreicht?.

Nein, ich sehe keine Grenze erreicht. Zumindest hat die Verfassung auch hohe Hürden errichtet auf dem Weg zu Neuwahlen. Neuwahlen müßte das Parlament ja auch wieder mit Zweidrittel-mehrheit beschließen. Und dazu gibt es sehr unterschiedliche Auffassungen. Auf der anderen Seite brauchen wir eine handlungsfähige Regierung. Es war wichtig, daß wir den Haushalt 98 gemeinsam verabschiedet haben. Wenn der Fahrplan eingehalten wird, soll der Senat den Haushalt 99 noch vor der Sommerpause verabschieden. Wenn wir den gemeinsam verabschiedet haben, dann gibt es keinen Stolperstein mehr für diese große Koalition. Wenn aber die Bezirksreform komplett scheitert und der Haushalt nicht durchgebracht wird, dann ist die Koalition am Ende. Ich zähle zu denen, die sagen: Die Große Koalition wird zu Ende geführt, weil es Gemeinsamkeiten in der Politik gibt. Außerdem ist für den Koalitionspartner, die SPD, noch vollkommen unklar, wer Spitzenkandidat ist. Es spricht deshalb mehr dafür, daß die Koalition erfolgreich in die Wahl 1999 geht, als daß sie vorher endet. Interview: Barbara Junge,

Dorothee Winden,

Gerd Nowakowski