Betr.: Tierquälereiprozeß in Memmingen

Memmingen (taz) – Ein nicht alltäglicher Fall von angeblicher Tierquälerei wurde just vor dem Memminger Amtsgericht verhandelt, fand aber gegen eine Zahlung von 500 Mark ein gutes Ende. Angeklagt war ein 42jähriger leidenschaftlicher Reiter, der im Sommer 1996 mit seinem Wallach „Othello“ von der Ortschaft Buxheim ins nahe Memmingen in ein Treppenhaus geritten war.

Es war für Hans-Peter Hochsteiner nicht das erste Mal, daß er einen Ausritt in die Stadt unternahm. In dieser Nacht ging er allerdings auf eine Wette ein: Hochsteiner sollte beweisen, daß er mit seinem Pferd die Treppe zu einer im 1. Stock gelegenen Kneipe nehmen könnte. „Kein Problem“, dachte sich der von vielen Heimatfesten her bekannte einstige „Fischerkönig“ von Memmingen. Schließlich wurde Othello sowieso gerade für einige Kunststückchen in bezug auf ein Theaterspiel dressiert.

Der Reiter mit dem mächtigen Wallenstein-Bart stand schon bald vor der Kneipe im 1. Stock. Was Hochsteiner nicht wußte: In diesem Moment war eine Tanzveranstaltung im Saal des nächsthöheren Stockwerks zu Ende gegangen. Die Teilnehmer füllten das Treppenhaus; erste Stimmen zum Thema „Tierquälerei!“ wurden laut. Der Aufruhr war groß – „Tierschänder!“ –, die Polizei kam hinzu. Der Angeklagte wollte nun wieder ins Freie, doch Othello stellte sich stur. Der Gaul wollte trotz seines speziellen Trainings für die Memminger Wallensteinspiele nicht mehr so wie der Reiter. Und der handelte sich jetzt eine Anzeige wegen Tierquälerei ein; hinzu kamen später 300 Mark für den Einsatz der Polizeibeamten.

Der Richter sprach in der Verhandlung von einem „Blödsinn, den Sie doch einsehen müssen“. Aber dann fehlte eine Zeugin, und die Parteien einigten sich auf die Einstellung des Verfahrens. Auf Kneipenbesuche mit dem Pferd will Hochsteiner künftig verzichten, „nicht aber auf Biergartenritte“, wie er nach der Verhandlung sagte. Klaus Wittmann