Ein Gütesiegel für alle Bioprodukte

■ Bauernverband und AG Ökologischer Landbau wollen gemeinsames Öko-Siegel – damit würde Bio-Nahrung endgültig supermarktfähig

Berlin (taz) – Noch in diesem Jahr soll es in Deutschland ein einheitliches Gütesiegel für ökologisch korrekte Lebensmittel geben. Entwickelt wird es von zwei Verbänden, die bisher in Konkurrenz zueinander um die Gunst der KäuferInnen buhlten: dem Deutschen Bauernverband und der Arbeitsgemeinschaft Ökologischer Landbau (Agöl), zu der etwa Demeter oder Bioland gehören.

Entscheidend für die Verleihung des Siegels ist ein Kriterien- Eintopf aus der EU-Bio-Verordnung und den strengeren Rahmenrichtlinien der Agöl. So dürfen Getreideproduzenten keine Kunstdünger oder chemischen Pflanzenschutzmittel verwenden; auf den Weiden ist nur eine bestimmte Zahl von Kühen erlaubt. Und bei der Wurstproduktion sind nur bestimmte Zusatzstoffe, etwa Enzyme, gestattet – und davon möglichst wenig.

Damit würde das Siegel insgesamt deutlich strenger ausfallen als die Bio-Verordnung der EU. Die gestattet bei der Rohstoffverarbeitung alle „üblichen Enzyme“. Außerdem bindet die EU nur Getreide-, Obst- und Gemüsebauern. Um Fleischproduktion kümmert sie sich erst gar nicht.

Mit dem neuen Siegel wollen die Verbände Ökoprodukte endgültig supermarktfähig machen. Bisher werden natürlich erzeugte Gemüse, Getreide, Milch oder Eier entweder direkt auf dem Bauernhof verkauft oder über Reformhäuser und Naturkostläden vermarktet. In Supermärkten und Tante-Emma-Läden dagegen „besteht noch ein riesiges Marktpotential, das wir nicht der Konkurrenz überlassen dürfen“, verkündete Bauernpräsident Gerhard Sonnleitner jüngst bei der Grünen Woche in Berlin. Denn die Nachfrage nach Öko-Essen wächst: Experten schätzen, daß der Umsatz von Bauern und Geschäften demnächst hochschnellen wird. Momentan setzen sie rund 5,5 Milliarden Mark um. Schon jetzt machen einige Supermärkte, die seriös Bio-Produkte anbieten, alteingesessenen Bio-Läden harte Konkurrenz. Doch ein bundesweit zu vermarktbares Qualitätssiegel, das dank der Agöl auch beim Verbraucher auf Vertrauen stößt, würde die letzte Schranke auf dem Weg in die Supermärkte durchbrechen.

Wann die ersten Produkte ausgezeichnet werden, wissen die Verbände allerdings noch nicht. Seit acht Jahren basteln sie an dem Essenssiegel, seit 1996 ackert eine Arbeitsgruppe. Drei Punkte sind noch strittig: Erstens die Frage, ob auch ausländische Firmen ausgezeichnet werden. Denn einerseits gilt die EU-Verordnung naturgemäß für ganz Europa. Andererseits fürchten Deutschlands Bio- Bauern Billigimporte, etwa aus osteuropäischen Ländern.

Ungeklärt ist zweitens die Frage, wer das Siegel finanziert. Vermutlich sollen ausgezeichnete Firmen eine Lizenzgebühr zahlen. Einige Bundesländer, der Deutsche Lebensmittelhandel und die Agrar-Vermarktungsfirma CMA haben eine Anschubfinanzierung angeboten. Damit bleibt nur noch die dritte Frage zu klären, nämlich wie das Siegel überhaupt aussehen soll. Judith Weber