Radioaktiver Unfall in britischer Plutoniumfabrik

■ Zwei Angestellte wurden in Sellafield verstrahlt, als ein Filter platzte. Betreiberfirma räumte kurzzeitig die Anlage

Dublin (taz) – In der Plutoniumschleuder Sellafield im Nordwesten Englands ist schon wieder ein Unfall passiert: Wie die Betreiberfirma British Nuclear Fuels (BNFL) erst gestern bekanntgab, ist in der vorigen Woche ein Behälter mit radioaktiven Filtern geplatzt. Dabei sind zwei Angestellte verstrahlt worden. Die gesamte Anlage sei vorübergehend evakuiert worden, sagte ein BNFL-Sprecher. Das Gebäude, in dem sich der Unfall ereignet hat, ist noch immer gesperrt. „Die Sache hätte natürlich nicht passieren dürfen“, sagte der Sprecher. Die beiden Angestellten würden zur Zeit untersucht. Ermittelt werden soll, welche Strahlendosis sie abbekamen. Beide wurden inzwischen in eine andere Abteilung versetzt.

Die BNFL-Reaktion auf den jüngsten Unfall liegt ganz in der Tradition der Katastrophenfirma: Zuerst hält man die Sache eine Weile geheim, dann spielt man sie herunter. Ein Feuer im Jahr 1957 vertuschte BNFL sogar 30 Jahre lang. Dann hieß es, alles sei halb so schlimm gewesen. Seitdem ist Sellafield regelmäßig in den Schlagzeilen – mal wegen radioaktiver Lecks, mal wegen abenteuerlicher Schlampereien oder gefälschter Meßdaten. Als vor einem Jahr bei Krustentieren in der Nähe der Anlage astronomische Werte für eine Verseuchung mit Technetium-99 festgestellt wurden, wollte das britische Landwirtschaftsministerium die EU-Grenzwerte kurzerhand heraufsetzen lassen. BNFL kippt das Technetium trotz einer Halbwertszeit von 100.000 Jahren ins Meer. Der Direktor für Gesundheit und Umwelt bei BNFL, David Coulston, verkündete trotzig, er esse „gerne Fisch aus der Irischen See“. Die Wahrscheinlichkeit eines größeren Unfalls sei „genauso hoch wie der Zusammenstoß zweier Jumbojets über dem Wembley-Stadion während des englischen Pokalfinales“.

Die britische Atomaufsichtsbehörde hat eine Untersuchung des Unfalls eingeleitet. Ralf Sotscheck