Wunschtraum oder olle Kamelle?

Hafenkrankenhaus: Nach einem Jahr Besetzung noch immer Optimismus  ■ Von Lisa Schönemann

Für die Finanzierung des Sozial- und Gesundheitszentrums „sollten sich die Grünen mal aus dem Rathausfenster hängen“, fordert Frank Eyssen, Hafenkrankenhaus-Besetzer der ersten Stunde und Mitglied der Planungsgruppe. Im 1998er Finanzbudget der Stadt sind 4,4 Millionen Mark für den Betrieb der Notfallambulanz auf St. Pauli vorgesehen. Der rot-grüne Koalitionsvertrag enthält dazu die sibyllinische Formulierung, die Summe könne auch anderen Trägern zur Verfügung gestellt werden. Aber ob die zukünftigen Betreiber des Zentrums auf diesen Betrag hoffen dürfen, ist unklar.

Das Hafenkrankenhaus war am 28. Januar 1997 geschlossen worden, 380 Mitarbeiter zogen murrend in andere Krankenhäuser ab. Vor genau einem Jahr, am 3. Februar, wurde die traditionsreiche Kiez-Klinik besetzt. Die BesetzerInnen trotzten dem Senat einen Runden Tisch St. Pauli ab – mit der Option auf ein Gesundheitszentrum.

Was vor einem Jahr als Utopie einiger Sozialromantiker galt, steht jetzt zur Realisierung an. Die mit der konzeptionellen Planung bedachte Hildebrandt GesundheitsConsult sucht sozial orientierte Mäzene für einen geschlossenen Immobilienfonds. Sie sollen der Arche Noah für Gestrandete zwischen Millerntor und Landungsbrücken zu einem baldigen Start verhelfen. Wie teuer der wird, hängt davon ab, zu welchen Konditionen die Stadt Grundstück und Gebäude zur Verfügung stellen wird. Der Wert des Areals dürfte zwischen zehn und zwanzig Millionen Mark liegen.

Die Planungsgruppe läßt sich jedoch durch die offensichtlichen Knackpunkte nicht bremsen. Engagierte Ärzte für die sogenannten vernetzten Praxen sitzen ebenso in den Startlöchern wie die zukünftigen Mitarbeiter der sozialen Anbieter. „Wir betreten Neuland für eine intelligentere Form der Gesundheitsversorgung“, kündigt Hildebrandt an. Außerdem sollen ein sozialgeriatrisches Zentrum, ein Therapieprojekt für Folteropfer, eine Obdachloseninitiative und eine Tagesstätte für Suchtkranke und Psychiatriepatienten in das stillgelegte Hafenkrankenhaus einziehen.

Das Konzept sieht zudem jenseits des Krankenhausbedarfsplans 40 Betten zur stationären Aufnahme vor. Obwohl unter dem Kostendruck im Gesundheitswesen zur Zeit um jede Matratze gestritten wird, sind die Planer optimistisch, die Praxisklinik realisieren zu können. Ob der Gesundheitsbehörde und den Krankenkassen dieser Wunschtraum mehr wert ist als ein Kopfschütteln, bleibt abzuwarten.

Auch Frank Eyssen ficht es nicht an, daß der Streit um die Bebauung des Geländes mit Altenwohnungen noch nicht beigelegt ist. Die Planungsgruppe möchte die zukünftigen älteren Bewohner selbst entscheiden lassen, wie sie sich altengerechtes Wohnen vorstellen, statt die fertigen Pläne für ein gerontologisches Silo mit 237 Wohneinheiten zu akzeptieren. „Olle Kamellen“, kommentiert Michael Sachs von der stadteigenen Wohnungsbaugesellschaft GWG, „ich sehe da keinen Streit“. Offenbar haben nach den heißen Tagen der Besetzung jetzt alle die Ruhe weg.