Die Macht neu entdecken

■ Umwelt- und Sozialsiegel können den Einfluß von VerbraucherInnen verbessern / Ausstellung und Vorträge noch bis zum 19. Februar im World Trade Center

Bewußtes Einkaufen verändert die Welt. Ökologisch, sozial und nachhaltig. sagen die Bremer Verbraucherzentrale, das evangelische Bildungswerk, der Bremer Weltladen und die Umweltorganisationen WWF und Greenpeace. Sie wollen mit vereinten Kräften, der Ausstellung „Aufgewacht und umgedacht – Bewußt einkaufen“und einem vielfältigen Vortragsprogramm aufzeigen, welche Macht VerbraucherInnen allein durch ihr Kaufverhalten ausüben. Und wie und wo sie das zur Geltung bringen können.

Durch ihre Kaufentscheidungen, so die optimistische Einschätzung von Irmgard Czarnecki von der Verbraucherzentrale, könnten die KonsumentInnen ganze Industriezweige „ins Wanken“bringen. Um die Wälder zu erhalten, die Fischbestände zu sichern, Kinderarbeit auf ein Minimum zu reduzieren, gesundheitsschädliches Arbeiten zu vermeiden und gerechte Preise für Produkte aus der sogenannten Dritten Welt zu zahlen, sei es höchste Zeit, das „Bewußtsein zu schärfen und das Kaufverhalten nachhaltig zu verändern“. Gerade in einer Handelsstadt wie Bremen, die einst wie heute ein bedeutender Umschlagsort für die unterschiedlichsten „Kolonialwaren“ist, wie etwa Kaffee und Baumwolle, gelte dies in besonderer Weise.

Sogenannte Umwelt- und Sozialsiegel sind dabei die Zauberwörter. Was in der Bio-Szene längst bewährte Praxis ist, soll nun auch vermehrt in anderen Bereichen umgesetzt werden. Produkte, die unter Einhaltung strenger ökologischer Kriterien sowie sozialer, gesundheitlicher und arbeitsrechtlicher Mindeststandards hergestellt worden sind, sollen in Zukunft von unabhängigen Institutionen zertifiziert werden.

Solche Gütesiegel, davon ist Peter Püschel von Greenpeace überzeugt, erhöhen die Glaubwürdigkeit derartiger Produkte. Etabliert haben sich mittlerweile Öko- und Sozialsiegel bei einigen Lebensmitteln aus Drittweltländern, Teppichen und Textilien. Für Blumen, Fisch und Holz wird die Zertifikation zur Zeit heftig diskutiert.

Viele Produkte des täglichen Bedarfs, so Püschel, werden mit „siegelvortäuschenden Aussagen“angepriesen. Wer kennt ihn nicht, den „delphin-freundlich“gefangenen Thunfisch aus der Dose? Püschel: „Diese Aussagen sind nicht nur rechtlich nicht geschützt, die Vielzahl solch öko-image-pflegender Anpreisungen verunsichern darüber hinaus die VerbraucherInnen nur unnötig.“

Abhilfe soll da unter anderem die Ausstellung schaffen, und das inmitten der äußerst sterilen heiligen Halle des internationalen Handels, dem World Trade Center. Einen besseren Ort hätten sich die OrganisatorInnen eigentlich nicht aussuchen können. Nur: Die Chance, auf hintersinnige Weise über die Ursachen der aufgezeigten Probleme aufzuklären, wird nicht genutzt. Grundlegende Kritik am herrschenden Wirtschaftssystem regt sich nicht.

Über die Arbeitsbedingungen in den Produktbereichen Holz, Baumwolle, Fisch, Blumen, Teppiche und Lebensmittel, den daraus resultierenden ökologischen und sozialen Mißständen, über den Entstehungsprozeß der einzelnen Siegel und deren positiven Auswirkungen vor Ort informiert die Ausstellung indes wortreich, bunt bebildert, multivisuell, interaktiv und – nicht unwichtig – allgemein verständlich. Und praxisnah: Immer wieder verweisen Tafeln auf die Möglichkeit, „gleich um die Ecke“– nämlich im nächsten Supermarkt oder in den Weltläden – die Welt „fair“zu verändern.

Hierin sieht auch Dieter Beushausen vom evangelischen Bildungswerk die Chance zum Wandel. Er mahnt vor allem aus ethischen Gründen die „Verpflichtung zur Solidarität“an, fordert die VerbraucherInnen auf, ihr „Gewissen einzuschalten“und die „Macht des gezielten Einkaufs“zu nutzen, um die „erbärmlichen Zustände“in den ProduzentInnenländern nachhaltig zu verbessern.

Marco Klemmt