Freispruch für Psychiatrieärzte

■ Keine Verurteilung für Vollzugslockerungen - solange kein konkreter Verdacht gegen den Patienten besteht, befand das Landgericht. Ärztliche Prognosen beinhalten Fehlerquellen

Daß sie ihre Sorgfaltspflicht verletzt haben, war nicht feststellbar. Mit dieser Begründung hat das Landgericht gestern drei Ärzte des Maßregelvollzugs am Klinkum Buch vom Vorwuf der versuchten Vollstreckungsvereitelung und fahrlässigen Körperverletzung freigesprochen.

Der gestrige Prozeß beleuchtete abermals das Spannungsfeld, in dem sich die Ärzte des Maßregelvollzugs (Gerichtspsychiatrie), die mit der Therapie von Straftätern befaßt sind, tagtäglich befinden: Sie müssen den Therapieanspruch der psychisch kranken Straftäter erfüllen, gleichzeitig aber dem Schutz der Bevölkerung vor Straftätern gerecht werden. Die angeklagten Mediziner hatten einem 36jährigen Patienten Urlaub gewährt, während dessen der Mann fünf Sexualstraftaten beging.

Gestern nun stand in dem Prozeß gegen eine Stationsärztin und zwei ehemalige Chefärzte von Buch die Rechtmäßigkeit der Beurlaubung des Sexualstraftäters Rainer S. im Mittelpunkt der Verhandlung. Der Mann war 1985 wegen acht an Kindern verübter Sexualstraftaten in der DDR verurteilt worden und 1990 nach Verbüßung seiner Strafhaft vom Klinikum Buch auf unbestimmte Zeit zur Therapie übernommen worden. Wie die angeklagten Ärzte in dem Prozeß berichteten, hatte sich S. dort zunächst einer Therapie verweigert, sich dann aber doch so geöffnet, daß ab Februar 1992 gelegentliche Ausgänge, die in einwöchige Beurlaubungen mündeten, gerechtfertigt gewesen seien – auch dann noch, als die Polizei zweimal in der Klinik anrief und von einem vagen Verdacht auf neuerliche Straftaten von Rainer S. sprach. Schließlich sei diese Annahme so unbegründet gewesen, daß das Verfahren schon bald eingestellt worden sei. Hinweise darauf, daß Rainer S. in der Zeit zwischen Dezember 93 und Mai 94 fünf Sexualstraftaten beging, hatten die Ärtze nicht.

Die Prozeßbeteiligten waren sich einig, daß ärztliche Prognosen immer auch Fehlerquellen beinhalteten. Die Verteidiger wiesen in ihrem Plädoyer darauf hin, daß die Vollzugslockerungen von Rainer S. der Staatsanwaltschaft seit Februar 92 bekanntgewesen seien. „Dieser Umstand hätte von vornherein gegen eine Anklageerhebung sprechen müssen“, kritisierten die Anwälte. Eine der Ärztinnen wies darauf hin, daß eine Verurteilung für die Behandlung von Straftätern schwerwiegende Folgen haben würde: Dann sei kein guter Arzt mehr bereit, in der Gerichtspsychiatrie zu arbeiten. Der Vorsitzende Richter Rainer Pannek begründete den Freispruch damit, daß es „keinerlei Signale“ für erneute Gewalttaten gegeben habe. Plutonia Plarre