Chinesen sind die Sündenböcke

In Indonesien kommt es wegen der schweren Wirtschaftskrise immer wieder zu Unruhen, bei denen die vom Militär geschürte antichinesische Stimmung eskaliert  ■ Von Jutta Lietsch

Bangkok (taz) – „Muslim“ haben besorgte Kaufleute in Indonesien an die Wand ihres Geschäftes geschrieben: Diese Aufschrift würde, hofften sie, die aufgebrachte Menge daran hindern, ihre Schaufensterscheiben zu zerschlagen und Lebensmittel zu plündern. Der Trick funktioniert nicht immer, aber oft. Denn im Indonesien wachsender Arbeitslosigkeit und steigender Preise wächst der Haß auf die – meist christliche oder buddhistische – chinesische Minderheit, die den Handel dominiert. Die Menschen, die in den letzten Tagen in mehreren Städten Ost- und Zentraljavas gegen hohe Reis-, Öl- und Zuckerpreise protestierten, ließen ihre Wut daher vielfach an chinesischen Läden aus. Gerüchte über neue Preiserhöhungen hatten die Menschen auf die Straße gebracht und zu Plünderungen geführt. Die Polizei nahm 30 Personen fest. Die Behörden hätten „die Lage unter Kontrolle“, erklärte ein Polizeisprecher gestern.

Um zu verhindern, daß der Funke auf andere Orte übersprang, entsandte die Regierung bereits am Wochenende Sondereinheiten von Soldaten und Polizisten entlang einer überlandstraße an der Nordküste Javas. Dort liegen wichtige Industriestädte. Hunderttausende Indonesier, die in der vergangenen Woche zum traditionellen Lebaran-Fest nach dem Ende des Ramadan aus den Städten zu ihren Familien aufs Land gefahren sind, kehren dieser Tagen zurück. Viele von ihnen werden vor verschlossenen Fabriktoren stehen. Chinesische Indonesier fürchten, daß sie zum Sündenbock für die Misere gemacht werden. Denn im mächtigen Militär, das Präsident Suhartos Herrschaft seit 32 Jahren sichert, werden antichinesische Töne laut.

Jüngstes Beispiel ist ein offenbar inszenierter Versuch, einen bekannten chinesischen Geschäftsmann mit radikalen Bombenbauern in Verbindung zu bringen: Der Militärchef von Jakarta, Syafire Syamsuddin, sagte, er habe Hinweise darauf, der Unternehmer Sofyan Wanandi stehe mit der illegalen „Demokratischen Volkspartei“ (PRD) in Verbindung, die als Kommunisten verfolgt wird. Begründung: Nachdem eine Bombe in einer mutmaßlichen PRD-Wohnung explodiert sei, will die Regierung in einem Computer die E-Mail eines deutschen Unterstützers gefunden haben. Dort heiße es, Sofyan Wanandi habe versprochen, die PRD zu finanzieren, während sein Bruder Jusuf Unterstützung aus dem Ausland organisieren würde.

Sofyan Wanandi weist die Anschuldigungen von sich. Beobachter vermuten, daß er den Ärger des Militärs erzeugte, weil er sich nicht an der offiziellen Kampagne „Liebt die Rupiah“ beteiligt und wie andere Reiche demonstrativ US-Dollar in die heimische Währung tauscht. Sein Bruder Jusuf ist einer der bekanntesten Akademiker des Landes. Er leitet das „Center for Strategic and International Studies“ (CSIS), lange eines der wichtigsten Regierungsberatungsinstitute, in dem viele chinesisch- stämmige Indonesier arbeiten. Das CSIS verspielte sich allerdings die Gunst des Präsidenten, da es immer offener Korruption und autoritäre Herrschaft des Suharto- Clans kritisierte. Letzte Woche demonstrierten über hundert Mitglieder muslimischer Organisationen vor dem CSIS. Sie forderten die Regierung auf, das Institut zu schließen und die Wanandi-Brüder vor Gericht zu stellen. Beobachter halten die ganze Geschichte für einen Griff in die Mottenkiste der Verschwörungstheorien. Offenbar stecken aber hochrangige Militärs dahinter.