Psychotherapeut, ein deutscher Beruf

Das künftige Psychotherapeutengesetz verwehrt vielen Ausländern die Zulassung. Die Grünen befürchten eine „psychologische Unterversorgung“. Im Bundesrat wird das Gesetz nur noch durchgewunken  ■ Aus Berlin Sascha Borrée

Berlin (taz) – Was, wenn Psychotherapeut und Klient nicht die gleiche Sprache sprechen? Die Frage ist ganz wörtlich zu verstehen. Unbemerkt von der Öffentlichkeit steht ein Paragraph im neuen Psychotherapeutengesetz, der Ausländern die Berufsausübung verwehrt. Nur Deutsche, Bürger der Europäischen Union und Staatenlose können als Therapeuten zugelassen werden. Sonderregelungen sind „im Interesse der öffentlichen Gesundheit“ und in „besonderen Einzelfällen“ möglich. Eine Arbeitsgruppe des Vermittlungsausschusses von Bundestag und Bundesrat hat den Entwurf bereits am Montag abgesegnet. Die endgültige Verabschiedung durch den Bundesrat am kommenden Freitag gilt daher als sicher. Dabei ist die Zulassung von ausländischen Therapeuten dringend notwendig – sowohl für die Klienten als auch für die Psychotherapeuten selbst.

Die müßten ihre Arbeit einstellen, wenn der Paragraph greift. Betroffene fürchten den Abbruch laufender Therapien. Ausländische Psychologiestudenten, die sich seit Jahren in Deutschland auf den Therapeutenberuf vorbereiten, bangen um ihre Zukunft, nur weil sie den falschen Paß haben. Dabei ist ganz gleich, ob jemand in Deutschland geboren und aufgewachsen ist, ob er alle notwendigen Ausbildungen und Prüfungen durchlaufen hat und fließend Deutsch spricht. Entscheidend ist nur die Staatsangehörigkeit. Für die Klienten wiederum ist wichtig, daß ihre Therapeuten aus dem eigenen Kulturkreis stammen. Denn die kulturelle Herkunft des Therapeuten „wird seine Vorstellung darüber beeinflussen, was mit dem Patienten nicht stimmt“, sagt die iranische Psychologin Zaman Masudi, die in Hamburg tätig ist.

Hinzu kommen sprachliche Probleme. Der Ausspruch „sie hat meinen Kopf gegessen“ weise nach einem deutschen psychologischen Fachbuch auf Schizophrenie hin, obwohl die iranische Patientin nur ausdrücken wollte, daß sie „zugelabert“ werde. Ein Klient, der über „Herzenge“ klage, leide an Heimweh und nicht an einer organischen Herzkrankheit. „Sicherlich lassen sich das europäische Therapeuten gerne erklären, aber das behindert natürlich die Therapie“, sagt Masudi.

Bündnis 90/Die Grünen fordern daher einen Rechtsanspruch auf Approbation als Psychotherapeut auch für die Ausländer, die sich seit mindestens fünf Jahren legal in Deutschland aufhalten. „Die diskriminierenden Vorschriften im Gesetz können sich nicht auf sachliche Erwägungen stützen“, begründet Monika Knoche, Bundestagsabgeordnete der Grünen, die Forderung. „Wenn das Gesetz in der bisherigen Form durchkommt, befürchte ich eine psychologische Unterversorgung von Migrantinnen und Migranten in Deutschland.“

Doch die psychologischen Berufsverbände bleiben stumm. Sie kämpfen seit 25 Jahren für ein Psychotherapeutengesetz und wollen es nicht durch zusätzliche Forderungen gefährden.

Koalition und Sozialdemokraten argumentieren, die Ausländerregelung sei lediglich den Berufsordnungen anderer Heilberufe entlehnt. Die Approbationsordnung für Ärzte enthält eine ähnliche Regelung: Nur Deutsche können approbiert werden, Ausländer erhalten lediglich eine Berufserlaubnis. Die ermöglicht es zwar, den Arztberuf auszuüben, verwehrt aber die selbständige Tätigkeit in einer eigenen Praxis. Erst nachdem ein ausländischer Arzt einige Jahre in Deutschland gearbeitet hat, kann er dann approbiert werden – um seine Integration zu unterstützen.

Auch das Psychotherapeutengesetz sieht eine Berufserlaubnis vor. Allerdings ist sie auf höchstens drei Jahre befristet, sie kann auf bestimmte Tätigkeiten und Beschäftigungsstellen beschränkt und jederzeit widerrufen werden. Während ein deutscher Psychologe Anspruch auf Approbation hat, muß der Kollege mit türkischem Paß jahrelang bangen.