Scharf auf den Mörder

■ Es gibt Schlimmeres als einen Eisberg zu rammen: die elisabethanische Tragikomödie Changeling in Regie von Wilfried Minks am Thalia Theater

Wenige Tage vor ihrer Hochzeit verliebt sich eine schöne junge Frau in einen anderen Mann als den auserwählten. Anfang des 20. Jahrhunderts., an Bord der Titanic, wirbelt ein Schiffsunglück alle Fluchtpläne der jungen Frau durcheinander. Daß eine Ausgangssituation wie die von James Camerons aktuellem Erfolgsfilm auch weniger sittsam verlaufen kann, zeigt Change-ling (Wechselbalg). In dem Drama entschließt sich Anfang des 17. Jahrhunderts in einer spanischen Hafenstadt eine schöne junge Frau, ihren ungeliebten Bräutigam umzubringen und gerät in einen Strudel aus Mord und Erpressung.

„Es ist eine richtig komplizierte Kriminalstory“, meint Regisseur und Bühnenbildner Wilfried Minks zu der Tragikomödie, die am Freitagabend im Thalia Theater Premiere feiert. Für unterhaltsam und sehr modern hält er das 1622 von den Shakespeare-Zeitgenossen Thomas Middleton und William Rowley geschriebene Stück. „Die Story ist nicht nach psychologischen Gesichtspunkten konstruiert, sondern nach Erlebnissen – wie im amerikanischen Spielfilm.“

Zwei Schauplätze sind in der Geschichte miteinander verwoben: die tragische Haupthandlung spielt am spanischen Hof, ein komödiantischer Subplot im Irrenhaus. Slapstickartige Szenen im Irrenhaus spiegeln den Verfall der Moral in der spanischen Gesellschaft wider. An Beatrice, der weiblichen Heldin und Anstifterin zum Mord, gefällt Minks das Unbedingte in ihren Handlungen. „Sie ist furchtbar wild und egoistisch, aber sie lebt sehr viele Leidenschaften aus, die heute unterdrückt werden.“Die schillernde Frau (Sylvie Rohrer) erliegt schließlich selbst einer faszinierenden Figur – der des Mörders (Dietmar König). Nachdem sie einen Diener ihres Vaters, der unsterblich in sie verliebt ist, dazu gebracht hat, ihren Bräutigam zu töten, fühlt sie sich immer stärker zu dem Auftragskiller hingezogen, der sie erpreßt. „Es gibt tausend Erklärungsmuster, warum Frauen Mörder attraktiv finden. Es gibt auch eine einfache: Sie ist scharf auf ihn.“

Natürlich sei Beatrice kein Modell für bürgerliches Verhalten, betont Minks: „Das Stück ist kein deutsches Aufklärungstheater.“Trotzdem hätte die „Zehn-Groschen-Heft-Story“eine hohe literarische Form. Middleton und Rowley tauchen alle Protagonisten über eine gebundene Sprache in Wechselbäder der Gefühle. Allein Beatrices sich vom Ekel zur Begierde wandelnde Emotionen für den Diener böten Stoff für einen ganzen Film, so Minks. An einen 1991 realisierten Film fühlt er sich auch erinnert: Martin Scorseses Kap der Angst. Was allerdings der Psychoschocker aus Hollywood mit dem elisabethanischen Theaterstück zu tun hat, will er nicht verraten.

Karin Liebe

Premiere: Freitag, 6. Februar, 20 Uhr, Thalia Theater