Trau keinem über vierzig

Und tschüs: Seit den 50er Jahren schmücken sie das Stadtbild – jetzt werden die Dächer der Landungsbrücken abgerissen  ■ Von Heike Haarhoff

„HHLA III“hat ganze Arbeit geleistet. Keine 90 Minuten hat das morgendliche Abriß-Spektakel an den Landungsbrücken gedauert, und jetzt klafft am Ponton über „Brücke 4“, dort, wo bis gestern ein Baldachin aus Stahlbeton schwebte, ein riesiges Loch. Darüber nur noch Himmel.

Der Schwimmkran „HHLA III“, ein 100-Tonnen-Schwergewicht der Hamburger Hafen- und Lagerhaus Aktiengesellschaft (HHLA), hat das 58 Tonnen schwere Brückendach gestern morgen einfach abgerissen und -gesägt, über Kettenzüge an Deck geladen, mitgenommen zum Schuppen 10 im Hafen. Dort wird die Stahlbeton-Platte zerkleinert und recycelt – zu Untergrundbelag für den Straßenbau, erklärt Bauleiter Berend Cornelius. Im übrigen sei die gestrige Aktion nur der Anfang gewesen: Alle zehn Dächer über den Hamburger Landungsbrücken, die seit den 50er Jahren das Stadtbild prägen, sollen bis Ende Februar abgerissen werden. Zwecks Verschönerung und Erneuerung des Hafenbildes, im Auftrag des Amts für Strom- und Hafenbau und finanziert durch 300.000 städtische Mark.

Schließlich soll den Ausflüglern zu den Landungsbrücken – nach Schätzung der Tourismuszentrale Hamburg tummeln sich jährlich rund zehn Millionen Besucher allein an diesem „unseren Hauptverkaufsschlager im Tourismusbereich“– etwas geboten werden. Eine ansprechende Architektur nämlich, und diesen Anspruch erfüllten die Brückendächer eben nicht mehr. Nur: Abriß ist ja gut und schön. Aber was kommt danach? Läßt Hamburg die unbedachten Touristen im hanseatischen Nieselregen stehen?

Aber nein, beruhigt das Amt für Strom- und Hafenbau. Im April werde das Konzept für eine Neukonstruktion der Baldachine vorgestellt, möglicherweise aus Glas und Stahl, in jedem Fall aber in Absprache mit der Kulturbehörde. Bis zum Herbst, wenn widrige Winde wehen, soll der Neubau fertig sein.

Aber auch die Tragwerke an den Zugangsbrücken müssen von Grund auf saniert, die Brücke 3 sogar komplett erneuert werden. Und damit nicht genug der Baustelle: Auch vor den Brücken 9 und 10 wird gewerkelt, was das Zeug hält. Eine neue, 250 Meter lange Hochwasserschutzwand verspricht die Baubehörde dort für 9,2 Millionen Mark, weil die alte „schadhaft“sei. Bereits bei Sonnenaufgang gestern morgen fräste sich der gigantische „Schneckenbohrer“in die gefrorene Erde, auf daß im Laufe dieses Jahres 35 Rammpfähle eingelassen und die Wand anschließend hochgezogen werden kann. Und zwar auf 7,80 hohe Meter, die sodann den Elbblick versperren werden, so, als wolle die Stadt beweisen, daß dieses Bauwerk wirklich nur der Sturmflutsicherheit und nicht der Tourismuspflege diene.

Um jedoch Protestbriefe und Absagen ganzer Touristengruppen zu vermeiden, wurde auch hier vorgesorgt: Zwischen Hochwasserschutzwand und Elbe wird die Stadt eine kleine, schmale Ufer-Promenade anlegen. Für rund 30.000 Flaneure täglich. Ahoi.