„Ich bin total gegen Geheimhaltung“

■ Was halten Bremens BürgerInnen vom Hickhack um den großen Lauschangriff ? Eine Umfrage auf dem Marktplatz

Das ganze Hin und Her um den Großen Lauschangriff kann Lieselotte Paech nicht nachvollziehen. „Ich befürworte den Lauschangriff“, bekennt die 82jährige Rentnerin. „Wir als ältere Menschen können abends nicht mehr rausgehen, weil so viel passiert. Wir brauchen jemanden, der auf uns aufpaßt.“Die Bremerin möchte deshalb vor allem an Bürgermeister Henning Scherf appellieren, seine Haltung doch noch zu modifizieren. „Der Bürgermeister soll sich der Linie der CDU anpassen.“

„Der Lauschangriff ist ein Eingriff in die Privatsphäre“, findet der 19jährige Björn Hellwig, der zur Zeit auf Jobsuche ist. Er würde derartige Abhörmaßnahmen nur erlauben, „wenn ich ganz sicher wäre, daß es sich um böse Buben handelt. Wenn die entsprechenden Verdachtsmomente vorliegen, ist es in Ordnung. Aber Ärzte und Journalisten abzuhören – da halte ich überhaupt nichts von. Ich möchte Henning Scherf ermuntern: Er soll seine Linie ruhig durchziehen. Das ist in Ordnung.“

Uwe Henke macht sich Sorgen um den eventuellen Mißbrauch der erlauschten Daten. „Meine Angst ist der big brother“, sagt der 37jährige Beamte. „Vielleicht ist der Ansatz gut gemeint, doch man kann nicht sagen, wer das kontrolliert und gegen wen das verwendet werden wird.“Auch könnten die Ermittlungen möglicherweise „ganz schön ausufern“. „Jemand, der nichts zu befürchten hat, dürfte keine Probleme damit haben. Doch wer grenzt das ab? Ich kann die Position von Scherf verstehen.“

„Wehret den Anfängen“, lautet die Position des 29jährigen kaufmännischen Angestellten Harm Bredehorst. „Ich finde den Lauschangriff nicht gut. Scherf sollte seine Position behalten, Koalition hin oder her. Sich selbst haben die Politiker von dieser Abhöraktion aussgenommen, und andere Berufsgruppen wie Ärzte oder Journalisten dürfen abgehört werden. Das finde ich unfair. Man weiß nie genau, wo die Grenze gezogen wird, und wohin das dann noch führt.“

Auch die 48jährige Bremer Galeristin Barbara Claassen-Schmal stärkt dem Bürgermeister den Rücken. „Ich bin dafür, daß Scherf seine Position beibehält. Der Große Lauschangriff birgt so viele Risiken. Er ist zu unkontrolliert; die Folgen dieses Beschlusses sind nicht absehbar. Ich weiß zu wenig über organisierte Kriminalität. Andererseits bin ich mir nicht sicher, ob es nicht auch andere Mittel gäbe, wie man sie bekämpfen könnte. Was mich stört: Es werden Bürgerrechte beeinträchtigt.“

„Ich bin mit dem Lauschangriff sehr einverstanden“, erklärt Gholan Sharify Mansour. Der 40jährige in Bremen lebende Iraner ist „total dagegen, daß etwas geheimgehalten wird“. „Ich frage mich, weshalb die Menschen Angst vor den Abhöraktionen haben. Das ist doch alles kein Problem. Wir leben in einer Welt der Verbote. Ich selbst habe keine Intimsphäre. Ich würde mich sehr freuen, wenn die gesamte Menschheit keine Intimsphäre hätte. Denn dann würden alle Menschen glücklicher sein.“

S. Hespos / Fotos K. Heddinga