Öfter an die Urnen?
: Mehr Kontrolle über Politik und Politiker

■ Startschuß für Kampagne, die mehr Bürgerbeteiligung durchsetzen will

In Bremen sollen sich die Wähler in Zukunft öfter in die Politik einmischen. Die Kampagne „Mehr Demokratie in Bremen“will sich dafür einsetzen, daß Volksbegehren und Volksentscheide erleichtert werden.

Gestern wurde der Startschuß für die Kampagne „Mehr Demokratie in Bremen“abgegeben. „Wir wollen, daß die Bürger Politik mitgestalten und mitbestimmen können“, sagt die Sprecherin, Elsbeth Rütten. Sie will mehr Wettbewerb in der Politik. „Uns geht es um mehr Dialog zwischen Bürgern und Politik – nicht um Konfrontation“, sagt Rütten.

Die Bremer Kampagne wird vom Bundesverband „Mehr Demokratie e.V.“unterstützt, der 1995 den kommunalen Bürgerentscheid in Bayern durchgesetzt hat. Seit 1995 fanden dort rund 300 Bürgerbegehren statt. „In Sachen direkte Demokratie steht Bremen im Ländervergleich auf den hinteren Plätzen“, meinte Ralph Kampwirth, Pressesprecher des Bundesvorstandes.

In Schleswig-Holstein, so rechnet Kampwirth vor, reichen die Unterschriften von fünf Prozent der Wähler, um einen Volksentscheid durchzusetzen, in Brandenburg sogar die von vier Prozent. In Bremen sind es aber immer noch mindestens zehn Prozent, bei Verfassungsfragen sogar 20. Und während man in Bremen die Unterschriften in drei Monaten sammmeln muß, hat man woanders meistens mehr Zeit oder bekommt immerhin staatliche Hilfe für die Organisation.

Für die Kampagne setzt sich eine bunte Truppe von gesellschaftlichen Kräften ein. Die Grünen sind ebenso dabei wie die Arbeitsgemeinschaft Selbständiger Unternehmer (ASU) oder Menschen wie Norbert Kentrup von der Bremer Shakespeare Company. Daß hinter soviel Einsatz auch Eigeninteresse stecken kann, liegt auf der Hand, wird aber bewußt zurückgehalten. Zuerst will das breite Bündnis die Bedingungen für mehr Bürgerbeteiligung schaffen, dann erst soll über Inhalte gesprochen werden.

Das einzige Bundesland mit Erfahrung in Bürgerbeteiligung ist bislang Bayern. Die Erfahrungen dort sind gemischt, seit seit 1995 immer wieder Abstimmungen über kommunale Angelegenheiten stattfinden. Meistens wurde dort über Verkehrsprojekte, öffentliche Infrastruktur und Flächennutzungspläne abgestimmt – wobei sich die Bevölkerung durchaus als kostenbewußter als die Politiker herausstellte, meint die Initiative „Mehr Demokratie“. Prominentes Gegenbeispiel: die Münchner haben die von Ökologen kritisierte Untertunnelung der Stadt beschlossen.

In Bremen ist der Volksentscheid zwar in der Verfassung verankert, durchgeführt wurde er aber erst einmal. 1994 stimmten die Wähler für die neue Verfassung und für eine Erleichterung beim Volksbegehren. Doch diese Erleichterung half wenig: letztes Jahr wurde ein Volksbegehren des Elternbeirates durch Gerichte abgelehnt, zu einem Volksentscheid kam es erst gar nicht. Zwar wurden im Oktober 1997 auch die Hürden für den Volksentscheid erleichtert – viel Auswirkung hat das aber nicht auf die Beteiligung der Bürger. Immer wieder werden Volksbegehren im Ansatz gerichtlich verhindert, da laut Verfassung keine Abstimmungen stattfinden dürfen, wenn sie finanzielle Auswirkungen haben könnten.

Um mehr Volksentscheide durchzusetzen, muß sich die Kampagne jetzt an die alten Regeln halten. Ab April sollen 5.000 Unterschriften für den Zulassungsantrag zum Volksbegehren gesammelt werden. Innerhalb von drei Monaten müßten 102.000 Unterschriften zusammen kommen, damit 1999 eine Volksabstimmung für eine Verfassungsänderung stattfinden kann. Christoph Dowe