Die Laterne brennt

■ Hellers Fernreisen: „Yume – ein Flug durch Träume“ bietet Artistisches, ohne mit atemberaubenden Sensationen aufzuwarten

Das Reich der Träume wird seit vielen Jahren von André Heller verwaltet. Es besteht aus den Provinzen Feuerwerk, Zirkus, Varieté und, seit neuestem, Erlebnisparks. Nach der chinesischen Artistik hat Heller nun in einem Überraschungscoup das japanische Volkstheater annektiert.

„Yume“ heißt die neue Provinz, und so ganz geheuer ist sie ihrem Verwalter nicht: „Alles wird von einem surrealen Träumer durcheinandergebracht“, wundert er sich in der Pressemitteilung: „Aber der bin nicht ich, nicht der André Heller, sondern dieser Traum ist die japanische Tradition.“

Tatsächlich hat sich diese Show von ihrem Erfinder emanzipiert. Das ist gut und schlecht zugleich. In „Yume“ wird das Publikum nicht, wie in den anderen Shows, ständig verbal zum Träumen und Staunen angehalten. Nur ganz am Anfang kann sich Heller per Lautsprecher durchsetzen: „Vertraut euch dem Abend als einer Reise in seltsame Fernen an.“ Dann sieht man einen schlummernden Prinzen, der, natürlich, alle übrigen Szenen träumt. Eine traditionsreiche, aber auch recht plumpe Klammer, um die verschiedenen Darbietungen zusammenzuhalten. Aber damit ist der typische Heller- Kitsch auch schon vorbei.

Die Bühne der Deutschen Oper ist von zarten, jalousienartigen Zäunen eingerahmt. Satte Farben spielen auf Boden und Vorhängen. Die bunte Pracht der Lichtregie dient aber vor allem dazu, die Kostüme noch mehr hervorzuheben. Dutzende von bestickten, raffiniert gefalteten, leuchtenden Gewändern mit meterlangen Ärmeln sind in den insgesamt 17 Nummern zu sehen. Kleider machen Leute und stehlen einigen der Künstler, die in ihnen stecken, glatt die Show. Die zarten gelb-orangen Papierschirme mit dem Schneckenmuster, das rotierend alle Blicke in seinen Malstrom zieht, bieten mehr Augenlust als alle Jongleur- Kunststücke, die mit ihnen veranstaltet werden.

Die Tänze und artistischen Darbietungen in „Yume“ haben eine Tradition von mehreren hundert Jahren, und das japanische Publikum der Edo-Periode im 18. Jahrhundert verlangte nichts Übermenschliches von seinen Gauklern. Die Bälle und Holzkästchen, die die Artisten um die Schirmränder rollen lassen, sind hübsch anzuschauen, aber die Kunststücke reichen nicht im entferntesten an die der Chinesen heran, die in der letzten Heller-Show „Begnadete Körper“ auftraten.

„Yume“ ist eben auch in negativem Sinne kein typisches Heller- Produkt. Es gibt keine Sensationen und keine atemberaubende Artistik.

Akrobatinnen werfen sich Wasserstrahlen zu

Ein Zauberer verweist auf die Ursprünge der guten alten Zylindernummer, indem er meterlange Bänder und brennende Papierlaternen aus einem Kästchen zieht. Ein Akrobat balanciert auf einer wackeligen Brett-Konstruktion. Origami-Künstlerinnen falten im Akkord die berühmtem japanischen Papiervögel. Am originellsten sind „Wasserspiele“, bei denen sich drei anmutige Damen gegenseitig Wasserstrahlen zuwerfen, die auf mysteriöse Weise aus ihren Fächern und Fingern aufsteigen.

Zum japanischen Theater gehören zahlreiche rituelle Tänze. In „Yume“ tanzen die Künstler mit Schwertern, Fackeln und bunten Fächern, mit dämonischen Masken und bodenlangen Perücken. Die fremdartige Anmut und Farbenpracht dieser Szenen ist unvergeßlich. Eine Lautsprecherstimme sagt an, ob die Tänze Danksagungen für die Ernte, Bittgebete oder Dämonenaustreibungen darstellen. Doch irgendwann verschwimmen die Eindrücke. Um die Unterschiede und besondere Schönheit der einzelnen Tänze würdigen zu können, muß man sich gut in der japanischen Kultur und Tradition auskennen.

André Heller hat diese Kenntnisse, die meisten deutschen Zuschauer nicht. Vielleicht plant der Traumverwalter aus diesem Grund, mit „Yume“ auch in Japan auf Tournee zu gehen. Miriam Hoffmeyer

„Yume – Ein Flug durch Träume“, Deutsche Oper, Bismarckstr. 35, Charlottenburg, bis 14. Februar täglich 20 Uhr, samstags und sonntags zusätzliche Vorstellungen auch um 16 Uhr