Grüne gegen grünen Stadtrat

■ Der frühere Geschäftsführer vom Verein SO36, Rainer Sauter, soll als Jugendstadtrat in Wedding abtreten, weil er gravierende Kürzungen in seinem Bereich nicht verhindert hat

Die grüne Bezirksfraktion in Wedding will ihren eigenen Stadtrat loswerden. Einen ganz speziellen Anlaß dafür gibt es zwar nicht, aber „wir haben schon seit mindestens einem Jahr angestrengt nachgedacht, wie wir die Misere beenden können“, meint der Weddinger Fraktionschef von Bündnis 90/ Die Grünen, Martin Beck. Und inzwischen ist die Katze aus dem Sack: Mit deutlicher Mehrheit sprachen sich die Verordneten der Fraktion und die Mitglieder des Kreisverbandes dafür aus, ihren Jugendstadtrat Rainer Sauter zum Rücktritt aufzufordern.

Sauters Wahl 1995 sei ein Fehlgriff gewesen. Die Hoffnungen auf eine neue Politik im Kinder- und Jugendbereich hätten sich nicht erfüllt. „Ganz im Gegenteil“, so Martin Beck, „es wurde mehr als je zuvor kaputtgemacht.“ Tatsächlich hat sich seit dem Amtsantritt des einstigen Kreuzberger SO36- Geschäftsführers die Situation der Kinder- und Jugendeinrichtungen im Bezirk Wedding drastisch verschlechtert. Kazim Binici vom Vorstand der „Putte e.V.“ beklagt das Wegbrechen der gesamten Mädchenarbeit. Auch der einst in der „Fabrik“ Osloer Straße beheimatete Jugendladen könne einpacken, wenn nicht statt der zuvor 5.000 Mark Miete wenigstens die knapp 2.000 Mark, die nach einem Umzug in die „Remise“ anfallen, vom Bezirk zur Verfügung gestellt würden.

In die Bresche für Sauter sprang gestern Dieter Havlicek, Stadtrat der CDU für Wirtschaft und Finanzen. „Es ist eine Mär zu behaupten, in Sauters Bereich sei überproportional viel gekürzt worden“, sagte er der taz. Die Kürzungen seien, so gut es ging, verteilt, der Haushalt sei letztlich von der Bezirksverordnetenversammlung beschlossen worden.

Für Werner Orlowsky, einst AL-Baustadtrat in Kreuzberg und Mitstreiter Sauters in SO36, ist der Fall des Weddinger Jugendstadtrates Ausdruck für den „Spagat, den grüne Stadträte von Anbeginn meistern mußten“. Wer, statt zu „pflastern, immer gleich kurieren“ wolle, laufe Gefahr, im kollektiven Organ Bezirksamt nicht mehr ernst genommen zu werden. Daß Sauter für den Jugendbereich hätte mehr erreichen können, bezweifeln hinter vorgehaltener Hand einige wenige Bündnisgrüne auch in Wedding. Einerseits gebe es ein gestörtes Verhältnis, da Rainer Sauter aus einem anderen Bezirk komme, andererseits hätten auch andere Bündnisgrüne Ambitionen auf einen Stadtratsposten erkennen lassen.

Sauter selbst hält die Vorwürfe gegen ihn für absurd. Er fühlt sich als Stadtrat nicht einer Partei gegenüber verpflichtet, sondern dem gesamten Bezirk. Der Rücktrittsaufforderung der Bündnisgrünen werde er nicht nachkommen. Diese wiederum wollen einen grünen Stadtrat, dessen Entscheidungen im krassen Gegensatz zu grünen Positionen stehen, nicht länger dulden. Einen Abwahlantrag der BVV hält Fraktionschef Martin Beck derzeit für wenig erfolgversprechend. Seine Partei verfügt über 8, die SPD über 18 und die Christdemokraten haben 19 Stimmen. Ein Abwahlantrag müßte bis zum 10. Februar vorliegen. Kathi Seefeld