Wertkonservative oder Neonazis? – Streit um Club

■ Der Bund der Antifaschisten kritisiert rechte Übergriffe vor dem Jugendclub in Prenzlauer Berg. Jetzt soll sich die BVV in einer Sondersitzung der Frage annehmen

Der Club ist „gut im Kommen“, erzählt der stämmige junge Mann aus der „Fröbel-Clique“. Erst kürzlich habe man sogar eine Bar und eine Toilette eingebaut. Klar, auch „Konflikte“ habe es in der Vergangenheit gegeben. Die Zeit aber sei „längst vorbei“, berichtet der Redner den fast hundert Zuhörern im vollbesetzten Sitzungssaal des Kinder- und Jugendhilfeausschusses Prenzlauer Berg.

Der „Club“, das ist die „Baracke“ in der Fröbelstraße, mit dem sich der Ausschuß am Dienstag abend beschäftigt hat. Anlaß: ein Bericht unter der Überschrift „Neonazis im Bezirksamt“ der Zeitschrift Prenzlberger Zündschnüre. In dem vom Bund der Antifaschisten (BdA) herausgegebenen Flugblatt war die „Baracke“ als „beliebter Treffpunkt von Faschisten“ bezeichnet worden. Diese würden sich im Club mit Nazi-Liedern und Alkohol „in Stimmung bringen“. Rund um die Baracke würden Passanten „aus Langeweile“ von den „Bezirksamtszöglingen“ zusammengeschlagen. Bei einem Überfall sei das Opfer mit Totschlägern so schwer verletzt worden, daß er mit doppeltem Schädelbruch ins Krankenhaus eingeliefert werden mußte.

Ole Krüger, Amtsleiter der Kinder- und Jugendförderung, bestätigte die „extremen Schwierigkeiten“. Das Projekt war vor rund einem Jahr ins Leben gerufen worden, um gewalttätige Jugendliche von der Straße zu holen. Doch nach wie vor komme es zu Sachbeschädigungen und Angriffen. Ein Teil der Jugendlichen habe „mit gesellschaftlichen Institutionen gebrochen“, sagte auch ein Sprecher des Vereins „Pfefferwerk e.V.“, der seit Januar dieses Jahres die Trägerschaft der „Baracke“ übernommen hat.

Kulturstadtrat Burkhard Kleinert (PDS) äußerte, ihm mißfalle das Agieren einzelner Gruppen mit „unbewiesenen Behauptungen“. Er wolle das Problem des Rechtsextremismus im Bezirk nicht verharmlosen, in diesem Fall aber handle es sich nicht um rechtsradikale Jugendliche. Auch Sozialarbeiter Jan Becker vom früheren Trägerverein „Gangway e.V.“ sprach von lediglich „wertkonservativen Einstellungen“. Die Besucher des Jugendclubs würden sich „nicht einmal“ „Ich bin stolz ein Deutscher zu sein“-Aufnäher an die Jacke heften. Die Täter der im Flugblatt erwähnten Übergriffe seien der Polizei bereits bekannt.

Für Aufsehen sorgte demgegenüber der Redebeitrag eines BdA- Mitglieds, das die erhobenen Vorwürfe bekräftigte. Es sei eine Tatsache, daß sich im Lauf des vergangenen Jahres mehrere Schüler an den BdA gewandt hätten. Ein Aufenthalt im Umfeld des Clubs sei ihnen nicht mehr möglich. Vor allem linke Jugendliche fühlten sich durch die „Baracke“-Besucher bedroht. „Mehrere Besuche des Jugendtreffs haben die Informationen über neofaschistische Umtriebe bestätigt.“ Der taz sagte der Sprecher, im Club seien bereits Dreizehnjährige mit den rechten „Sturm Berlin“-Aufnähern zu beobachten. Erst im Januar habe man die Nachforschungen abgeschlossen. Auch die Vorwürfe gegen den im Flugblatt erwähnten Mike R. seien zutreffend. R. stamme aus dem Umfeld der „Kameradschaft Beusselkiez“ in Moabit und sei wegen entsprechender Delikte bereits zu drei Jahren Haft verurteilt worden. Der BdA wolle keinen selbstverwalteten Jugendclub kaputtmachen. Die Antifa fordere aber „begleitende statt akzeptierende“ Jugendarbeit. „Für neofaschistische Propaganda darf in einem Jugendclub kein Platz sein.“ Die provokative Überschrift „Neonazis im Bezirksamt“ habe man bewußt gewählt, um die rechten Tendenzen öffentlich zu thematisieren.

Auf Antrag des Bezirksverordneten Karl Hennig (CDU) soll sich die BVV jetzt in einer Sondersitzung mit der Frage beschäftigen. Der Vorwurf, das Bezirksamt beherberge Neonazis, sei ungeheuerlich. Außerdem soll der Bezirk die Einleitung rechtlicher Schritte gegen den Herausgeber der „Zündschnüre“ prüfen. Andreas Spannbauer