Das Portrait
: Gelehrter räumt Präsidentenamt

■ Lewon Ter-Petrosjan

Seine politische Karriere endete schneller als gedacht: Am Dienstag legte Armeniens Präsident Lewon Ter- Petrosjan sein Amt nieder. Acht Jahre hatte der Wissenschaftler, der 1945 im syrischen Aleppo geboren wurde und nie Mitglied der Kommunistischen Partei gewesen war, an der Spitze des Staates gestanden. Seinem Rücktritt ging eine tiefe Spaltung in der armenischen politischen Elite voraus. Der Zwist entbrannte erneut um die in Aserbaidschan gelegene und mehrheitlich von Ameniern besiedelte Enklave Berg- Karabach. Das Begehren der Karabacher nach Unabhängigkeit von Aserbaidschan führte 1991 zu einem grausamen Krieg zwischen Einwohnern der Enklave und dem sie umgebenden Staat. Er endete 1994 mit dem Sieg der armenischen Karabacher, die eine große Zahl angrenzender aserbaidschanischer Bezirke eroberten.

Ter-Petrosjan, der als Mitglied des verbotenen oppositionellen Karabach-Komitees einst in Moskau im Gefängnis saß, wurde Ende der 80er Jahre von seinen Landsleuten buchstäblich auf Schultern getragen. Selbst mit dem Slogan „Wiedervereinigung zwischen Armenien und Karabach“ zur Macht gekommen, erkannte er 1992 durch den Eintritt seines Landes in die OSZE die bestehenden Grenzen Aserbaidschans an und verzichtete auf diese Forderung. Öffentlich unterstützte er nur noch die Forderung der Karabacher Armenier nach nationaler Selbstbestimmung. Bisweilen ließ er auch durchblicken, daß er sich mit einer „weitreichenden Autonomie“ Karabachs innerhalb Aserbaidschans abfinden könnte. Im September 1996 wurde Ter-Petrosjan erneut zum Präsidenten gewählt, vermutlich, weil er der kriegsmüden Bevölkerung immer noch als Garant der Stabilität galt. Inzwischen aber hat sich die OSZE-Verhandlungsgruppe darauf geeinigt, daß in einer „ersten Etappe“ alle von den Karabachern eroberten Territorien an Aserbaidschan zurückgegeben werden sollen.

„Lewon braucht die Politik nicht, er kann jederzeit zurück in die Wissenschaft und möchte das auch“, sagte einmal eine Mitarbeiterin der Universität von Eriwan. Und so wird der Expräsident seinen fünf Monographien und über 70 Artikeln vor allem über die kulturellen Beziehungen Armeniens zum Vorderen Orient vielleicht bald wieder einige neue Arbeiten hinzufügen. Barbara Kerneck