Im Iran inhaftierter Deutscher wird zum Spion gemacht

■ Medien und „Terrorismusexperten“ nehmen sich des zum Tode verurteilten Helmut Hofer an

Berlin (taz) – Geht es nach den Begehrlichkeiten einiger Journalisten, dann handelt es sich bei dem Fall des im Iran inhaftierten deutschen Geschäftsmannes Helmut Hofer (57) um eine Agentenstory mit Sex-Appeal. Am Dienstag abend präsentierte das Sat.1-Magazin „Akte 98“ den selbsternannten deutschen Terrorismusexperten Rolf Tophoven und den einst wegen Spionage in Teheran inhaftierten Ingenieur Helmut Szimkus. Der wegen angeblichem Geschlechtsverkehr mit einer Iranerin zum Tode verurteilte Hofer werde als „Faustpfand wegen Mykonos und anderer Dinge“ benutzt, so die Vorankündigung des Senders. Für Tophoven ist klar: Hofer hat entweder spioniert oder mit Waffen gehandelt. In jedem Fall, so Tophoven gestern in der Hamburger Morgenpost, gibt es „eindeutige Hinweise auf nachrichtendienstliche Tätigkeit“.

Tatsächlich lädt die mysteriöse Affäre Hofer zu Verschwörungstheorien ein. Doch der Vorwurf der Spionage ist Hofer von iranischer Seite bisher nicht gemacht worden. Tophoven und jene, die ihn zu Wort kommen lassen, könnten das ändern. Bereits am Montag fragte die Süddeutsche Zeitung: „Ist das Ganze eine politische Inszenierung?“ und: „Ist es gar möglich, daß die junge Frau gezielt auf den Deutschen angesetzt worden ist?“ Hintergrund ist der Umstand, daß Hofers angebliche Geliebte, die 27jährige Wahideh Kassemi, vor Gericht ausgesagt haben soll, Hofer habe mit ihr Geschlechtsverkehr gehabt. Hofer, der inzwischen erklärt, er sei Muslim und wolle Kassemi heiraten, behauptet dagegen, er habe sie „nur geküßt“. Durch ihre Aussage belastet Kassemi nicht nur Hofer, dem nun die Todesstrafe droht, sondern auch sich selbst: Nach iranischem Gesetz stehen ihr 99 Peitschenhiebe bevor – außer sie hätte eine Vereinbarung mit iranischen Behörden, Hofer zu belasten.

Das Bonner Auswärtige Amt lehnt Stellungnahmen zu dem Fall mit dem Hinweis ab, es handele sich um ein schwebendes Verfahren, alles könne gegen Hofer verwendet werden. Beobachter in Teheran halten die Variante, Hofer sei Opfer einer Agentenintrige, für Unsinn. „Warum sollte sich der Geheimdienst ausgerechnet einen Mann aussuchen, der mit Pistazien und Schrottautos handelt?“ fragt ein Journalist in der iranischen Hauptstadt. Wahrscheinlicher sei, daß Hofer tatsächlich eine Affäre mit Kassemi gehabt habe, möglicherweise unter dem Versprechen, sie zu heiraten und aus dem Land zu bringen. Vielleicht habe sich der Geschäftsmann gerade aus dem Staub machen wollen, als Kassemi ihn auf dem Teheraner Flughafen stellte und behauptete, sie seien verlobt. Von Agenten keine Spur. Thomas Dreger