Schon 40 Demonstranten wären ein schöner Erfolg

■ Arbeitsloseninitiativen tun sich schwer mit ihrem Aktionstag. „Dies ist nicht Frankreich“

Berlin (taz) – In Deutschland sind nahezu fünf Millionen Menschen arbeitslos gemeldet. Heute soll man einen Teil von ihnen auf den Straßen sehen – Arbeitsloseninitiativen haben zu einem bundesweiten Aktionstag aufgerufen. Inzwischen gibt es rund 1.500 Gruppen, die sich um Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger kümmern und deren Interessen artikulieren wollen. Der heutige Protest wird von gut zwei Dutzend Gruppen organisiert. Möglich, daß nur wenige Arbeitslose den Weg zu den Aktionen finden. Die Arbeitsloseninitiative 2000 aus Siegburg teilte mit, sie wäre schon stolz, wenn sie mit 30, 40 Leuten um 11 Uhr vor die Düsseldorfer Börse ziehen könnte.

Bonn dürfte ein weißer Fleck auf der Landkarte des Protestes werden. Aus Kreisen des Bundesvorstands der Grünen wird ein Hilferuf der Bonner GEW kolportiert. Das Interesse an Arbeitslosenaktionen sei minimal. Ob von den Mitarbeitern der Grünen nicht wenigstens 20 Leute bereit zum Protest wären, dann könne man aus dem Kreis der Lehrergewerkschaft auch eine Gruppe von 20 Beherzten zusammenbringen. Vor drei Jahren war das anders. Da gelang es der Sozialhilfe-Initiative in Frankfurt immerhin 3.500 Arbeitslose zum Protest nach Bonn zu mobilisieren. Diesmal kam es etwa dem Deutschen Gewerkschaftsbund erst vergangene Woche in den Sinn, per Rundschreiben die Kreisgeschäftsstellen zu bitten, bei den Aktionen präsent zu sein.

Zumindest einige Politiker der Grünen könnten heute verschiedentlich gesichtet werden. Jürgen Trittin, Sprecher des Bundesvorstands, tingelt gerade auf Wahlkampftour durch Niedersachsen und wird „sehen, welche Aktion er erreichen kann“, sagt sein Pressesprecher Harald Händel. Wer allerdings hofft, von Grünen-Politikern Worte des zivilen Ungehorsams zu hören, dürfte enttäuscht werden. Sie werden nicht zum Sturm aufs kalte Büffet rufen. „Das ist unsere Sache nicht. Die Deutschen sind in ihrem Protestverhalten eben anderes als die Franzosen“, so Händel.

Sollte sich eine Arbeitslosenbewegung formieren, werden auch dubiose Vögel mitmischen. In Memmingen stellt sich heute Peter Pöschel vor das Arbeitsamt. Der selbsternannte Präsident der Gewerkschaft für Arbeitslose (GfA) fordert die „sofortige Aufhebung aller Rahmen und Flächentarifverträge bis zum 31.12.98“. Ein „Ermächtigungsgesetz auf Zeit“, nennt er dies. Pöschel ahnt, „daß SPD und CDU die Arbeitslosigkeit in Deutschland vorsätzlich geplant und gesteuert“ haben. Der 53jährige glaubt nicht an die spontane Kraft seiner angeblich 660 Gewerkschaftsfreunde. „Die Leute schämen sich doch zu sehr für ihre Arbeitslosigkeit“, sagt er.

Ideellen Beistand findet er in Wuppertal bei der Arbeit-Sucher Partei Deutschlands (ASPD). Frontmann Peter Windgassen liebt rechte Töne. Der Steuerberater fordert in seinem ASPD-telegramm die „Entwicklung von Arbeit, Kultur, Freizeit, Sport und Spielen in neuen Gemeinschaftsaufgaben“. Ohne Scheu und Selbstmitleid solle man um Arbeit regelrecht betteln. Windgassen hat nach eigenen Angaben bereits 700 zahlende Mitstreiter gefunden, vor allem in Ostdeutschland. Auf die Straße zieht es ihn heute nicht. Montagsdemonstrationen im großen Stil will er organisieren. Woran einst die DDR zerschellte, soll als probates Mittel im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit eingesetzt werden. Annette Rogalla