Auf Du und Du mit dem Lauschangriff
: Tricks im Bundesrat

■ Komplexe Partei-Strategien machen den Bundesrat bis zuletzt spannend

Selten stand eine Sitzung des Bundesrates so sehr im Licht des öffentlichen Interesses wie die heutige. Bis in den späten Abend waren gestern Sitzungen zur Vorbereitung angesetzt.

Am Donnerstag nachmittag zeichnete sich ab, daß die Grundgesetzänderung, die den „großen Lauschangriff“ermöglicht, heute mit den Stimmen des Bremer Bürgermeisters Henning Scherf (SPD) die erforderliche Zweidrittel-Mehrheit im Bundesrat erhalten wird.

In einem zweiten Schritt soll es dann darum gehen, ob das sog. „Artikelgesetz“eine Mehrheit erhält oder mit der absoluten Mehrheit der Stimmen an den Vermittlungsausschuß zwischen Bundestag und Bundesrat verwiesen wird. Dieses Gesetz regelt u.a., welche Berufsgruppen wegen ihres Zeugnisverweigerungsrechtes vom Lauschangriff ausgenommen sein sollen. Da im Vermittlungsausschuß der Bundestag die Hälfte der Stimmen hat und die Länder je eine Stimme, haben die Scherfschen Änderungs-Forderungen dort derzeit keine Chance auf eine Mehrheit. Deshalb hatte der nordrhein-westfälische Bauminister Michael Vesper (Grüne) erklärt, ernstzunehmen sei der Scherfsche Vorstoß nur, wenn er das Faustpfand nicht aus der Hand gebe und die Grundgesetzänderung so lange ablehne, wie seine Nachbesserungen des Lauschangriffs nicht akzeptiert seien. Hintergedanke dieser Position ist, daß die niedersächsischen Landtagswahlen am 1. März eine rot-grüne Landesregierung zum Ergebnis haben könnten – das würde die Mehrheiten im Bundesrat verändern.

Scherf hat zuletzt erklärt, seine Zustimmung zur Grundgesetzänderung hänge davon ab, ob es eine Mehrheit für das Vermittlungsausschuß-Verfahren gebe. Um dieser Forderung nachzukommen und die Grundgesetzänderung jetzt durchzubringen, wäre auch Niedersachsens Ministerpräsident Gerhard Schröder (SPD) für die Überweisung des Artikelgesetzes an den Vermittlungsausschuß zu haben, erklärte dessen Sprecher gestern gegenüber der taz. Schröder rechnet zugleich damit, daß das Vermittlungsausschuß-Verfahren nichts ändern wird an dem aktuellen Gesetzentwurf, den Innenminister Glogowski mit CDU und FDP in Bonn ausgehandelt hat. „Was vorliegt, ist der äußerst erreichbare Kompromiß“, heißt es in der Staatskanzlei in Hannover. Auch das Saarland hat bisher in allen Abstimmungen für die derzeitige Fassung gestimmt.

Um sich gegen eine Bundesrats-Mehrheit durchzusetzen, könnte die Bonner CDU/CSU/FDP-Koalition auch das Gesetzespaket „aufschnüren“und die Ausführungsbestimmungen für den Lauschangriff im Bundestag allein beschließen. Daher kommt es letztlich auf die Position der FDP an; mit Genscher, Lambsdorff und Westerwelle sind prominente FDP-Politiker für die Scherfschen Nachbesserungen. Aber die FDP wollte sich gestern nicht festlegen, ob sie sich dem Scherfschen Vorstoß anschließt.

In dieser Situation haben die Grünen ihrerseits Druck gemacht: „Wir bauen Scherf keine goldene Brücke“, erklärte gestern der grüne Parteisprecher. Wenn Scherf keine klaren Zusagen in der Tasche habe, sei die Überweisung an den Vermittlungsausschuß „kein aussichtsreicher Weg“. Die rotgrünen Bundesländer NRW und Sachsen-Anhalt würden unter solchen Umständen bei der Überweisung in den Vermittlungsausschuß nicht mitspielen. K.W.