„Eine Josefsehe ist auch eine Ehe“

■ betr.: „Der einzige Ausweg ist die Heirat“, „Bei Verdacht wird nach den Flitterwochen gefragt“ (Berli ner Thema: Scheinehen), taz vom 24./25. 1. 98

Die beiden Artikel sind meiner Ansicht nach etwas undifferenziert. Grundsätzlich muß ich betonen, daß ich die Flucht in die Scheinehe ablehne, weil eine Heirat nur dem Zweck dienen sollte, dauerhafte enge Beziehungen zwischen zwei Menschen zu festigen. Andererseits gibt es sehr viele Fälle von Menschen, die keine Scheinehe eingehen wollen und deswegen in die Illegalität getrieben werden. So lehnen es nach meinen Erfahrungen viele Menschen, die zum Beispiel vor Jahren als unbegleitete minderjährige Flüchtlinge im Alter von zehn oder zwölf Jahren nach Deutschland gekommen sind, hier die Schule und eine Ausbildung abgeschlossen haben und jetzt in festen Beziehungen leben, ab, nur wegen des Aufenthaltsstatus zu heiraten. Diese Personengruppe wurde bei der Altfallregelung der Innenministerkonferenz vom 29. März 1996 nicht berücksichtigt, weil sie keine Lobby hat.

Wie der Berliner Datenschutzbeauftragte Dr. Garstka vor dem Ausschuß für Ausländerfragen des Abgeordnetenhauses einst äußerte: „Eine Josefsehe ist auch eine Ehe.“ Wenn die verantwortlichen PolitikerInnen guten Willens gewesen wären, hätte sich auch für diese Menschen eine Lösung gefunden. Diese Vorgänge sind bezeichnend für die derzeitige Ausländerpolitik.

Ein weiteres Problem ist die Beschaffung der Informationen über vorgebliche Scheinehen. Es stellt sich die Frage, ob all diese Vorgänge auch den datenschutzrechtlichen Vorschriften entsprechen. Diese Aspekte hätten meines Erachtens beim Abfassen zweier Artikel über Scheinehen mit berücksichtigt werden müssen. Riza Baran, Migrantenpol.

Sprecher B'90/ Grüne