Bundeswehr – in Israel ein Thema

■ In Jerusalem diskutieren Deutsche und Israelis über Neonazis beim Bund. „Warum sagt das Volk nicht, welche Armee es haben will?“

Jerusalem (taz) – „Solange ein 26jähriger mir sagt, ich finde die deutsche Sprache besser als die hebräische, weil die Befehle so hart und zackig klingen, solange muß man rechtsextreme Tendenzen in der Bundeswehr auch in Israel zum Thema machen.“ Die junge Frau, die diesen Satz am Mittwoch auf einem Symposium der Friedrich- Ebert-Stiftung und des Richard- Köbner-Zentrums der Hebräischen Universität in Jerusalem sagte, kann jedoch kaum als repräsentativ angesehen werden.

Nach einer Untersuchung des israelischen Fernsehjournalisten David Witzthum rangiert bei deutschen Themen im israelischen Fernsehen der Sport ganz vorn. 55 Beiträge wurden im vergangenen Jahr in Israel zu diesem Thema ausgestrahlt. Von 16 Nachrichtensendungen über neonazistische und rechtsradikale Tendenzen in der deutschen Gesellschaft wurden dagegen nur 11 gesendet. Das Thema rangierte damit in der israelischen Fernsehberichterstattung über Deutschland erst auf Platz 5. Doch fiel das Thema nach Angaben von Witzthum nicht unter die Auslandsberichterstattung. Es wurde vielmehr im Rahmen der ersten Hälfte der Nachrichtensendung ausgestrahlt, die gewöhnlich Inlandsthemen vorbehalten ist.

Entwicklungen in Deutschland, die eine wie immer geartete Verbindung zum Nationalsozialismus suggerieren, stoßen in Israel eben auf besonderes Interesse. Gerade deutsche Überlebende des Holocaust und der Judenverfolgung in den dreißiger Jahren stellten denn auch ein Großteil des zahlreich erschienenen Publikums. Während der deutsche Titel des Seminars „Rechtsextreme Tendenzen in der Bundeswehr“ lautete, stellte die hebräische Übersetzung mit dem Titel „Neonazis in der Bundeswehr“ eine größere Nähe zur deutschen Vergangenheit her. Nach dem Vortrag von Anetta Kahane, der Beauftragten für interkulturelle Projekte in den neuen Bundesländern, über rechtsextreme Übergriffe in der S-Bahn bei Berlin und über die Errichtung sogenannter national befreiter Zonen in der Uckermark in Brandenburg, bemerkte ein älterer Zuhörer am Nebentisch: „Genauso hat es in den dreißiger Jahren auch angefangen.“

Jakob Gur, in Berlin aufgewachsen, der Verfolgung entkommen und 40 Jahre in der israelischen Armee tätig, hielt eine stärkere Einmischung des Volkes in die Angelegenheiten der Streitkräfte für wünschenswert. „Warum steht das deutsche Volk nicht auf und sagt, welche Armee es haben will?“ fragte er. Ein israelischer Student stellte die Rolle der Schule und Erziehung in Frage, die offensichtlich rechtsextremen Entwicklungen nicht vorbeuge. In der Tat verlangten sowohl der Militärhistoriker Wolfram Wette als auch der ehemalige Brigadegeneral Winfried Vogel eine „Stärkung der inneren Führung“ und eine bessere „politische Bildung von Rekruten und Offizieren“.

Feindseligkeit oder anti-deutsche Gefühle gab es auf dem Symposium trotz der besorgniserregenden Tendenzen in der Bundeswehr nicht. Im Gegensatz zum Standpunkt des deutschen Botschafters Theodor Wallau herrschte allerdings Einigkeit unter den Diskutanden, daß die Bundeswehr nicht ein simples Abbild der Gesellschaft sei und der Rechtsextremismus in der Bundeswehr deshalb nicht einfach ein gesamtgesellschaftliches Problem. Georg Baltissen