Frankreich: Ämter bleiben besetzt

■ „Das Problem der Arbeitslosigkeit ist überall präsent in Europa“ – Franzosen begrüßen deutschen Aktionstag

Die Franzosen sind von den Arbeitslosen-Aktionen im benachbarten Deutschland nicht überrascht. „Das Problem der Arbeitslosigkeit mag unterschiedliche Erscheinungsformen haben, aber präsent ist es überall in Europa“, sagt Claude Chouard, einer der Sprecher der Gruppe AC!, deren Name auf deutsch bedeutet: Gegen die Arbeitslosigkeit handeln. Für viele der französischen Akteure, die mit spektakulären Aktionen binnen weniger Wochen zu anerkannten Gesprächspartnern der Regierung in Paris geworden sind, war es „nur eine Frage der Zeit“, bis ihre Aktionen Nachahmer anderswo fanden.

Nicht nur aus Deutschland, sondern auch aus Italien, Großbritannien und anderen Ländern erhalten sie Rückmeldungen, Nachfragen und Ermunterungen zum Weitermachen. Auch zum gestrigen Aktionstag in Deutschland waren sie eingeladen. Aber aus Geldmangel verzichtete Claire Villiers, eine Sprecherin von AC! auf die Reise. Statt dessen trafen sich im Laufe des Tages gestern grenznahe Arbeitsloseninitiativen aus Deutschland und Frankreich. Am Abend wollten Pariser Arbeitslose eine Demonstration vor der deutschen Botschaft veranstalten.

Der Kanal für den Austausch der Arbeitslosen ist ein Netzwerk, das bereits seit Jahren existiert: Es heißt „Marches européennes contre le chomage, la précarité et les exclusions“ (Euro-Märsche gegen die Arbeitslosigkeit, die Unsicherheit und die Ausgrenzungen) und hat unter anderem den europäischen Sternmarsch gegen die Arbeitslosigkeit im vergangenen Sommer organisiert. Er endete mit einer Arbeitslosendemonstration mit rund 50.000 Teilnehmern in Amsterdam, als dort am 15. Juni der EU-Gipfel begann.

„Damals haben viele Beobachter die Bewegung unterschätzt“, sagt Robert Cremieux von der Arbeitsloseninitative „MNCP“, zu der neben ehemaligen Kommunisten auch Grüne und Anarchisten gehören. „Wir haben nicht dieselbe Infrastruktur wie die großen Gewerkschaften, wir verfügen auch nicht über finanzielle Mittel, und trotzdem sind wir nach Amsterdam gegangen.“

Daß auch in Deutschland die Regierung eines Tages Vertreter von Arbeitsloseninitiativen wird empfangen müssen, halten nicht nur die französischen Initiativen für wahrscheinlich. So titelte das Finanzblatt La Tribune gestern: „Nach Jospin haben die Arbeitslosen jetzt Kohl eingeholt“.

Die französischen Initiativen erholen sich unterdessen keineswegs auf dem Ruhm ihrer Dezember- und Januarbewegung. Während die Arbeitsämter zusätzliches Personal eingestellt haben, um die eine Milliarde Francs Nothilfe, die Jospin bewilligt hat, zu verteilen, kämpfen die Initiativen weiter. 15 Arbeitsämter und ebenso viele Sozialämter waren gestern besetzt. Am 12. Februar ist ein Arbeitslosentreffen mit Vertretern aus 15 europäischen Ländern in Paris. Und für den 7. März ist ein nationaler französischer Aktionstag geplant. Dorothea Hahn, Paris