Aus Worten können Kugeln werden

Hate-Speech, wie man rassistische und sexistische Beleidigungen in Amerika nennt, ist ein schwieriges Problem für alle, die an die freie Meinungsäußerung glauben. Denn was ist der Preis der freien Rede? Wer zahlt ihn? Und: Kann Zensur ein Gegenmittel sein?  ■ Von Ursula Owen

Bis der New Yorker Rundfunksender WABC seinen beliebtesten Talkmaster Bob Grant schließlich doch feuerte, hatte dieser 25 Jahre damit zugebracht, ungestraft Schwarze, Hispanics und andere Minderheiten Amerikas öffentlich zu diffamieren. Den ehemaligen Bürgermeister von New York, David Dinkins – einen Schwarzen –, nannte er einen „Männerkloputzer“; afro-amerikanische Kirchgänger in Harlem waren für ihn „kreischende Wilde“; und für haitianische Flüchtlinge empfahl er „Ertränken“.

Gekündigt wurde ihm schließlich wegen einer Bemerkung am Tage des Flugzeugunglücks, bei dem auch Bill Clintons Handelssekretär Ron Brown umkam. Grant spekulierte, Brown sei womöglich der einzige Überlebende, „denn ich bin ein Pessimist“. Ron Brown ist schwarz.

Das ging selbst der WABC, einer Tochtergesellschaft des Medienimperiums Capital City/Walt Disney, zu weit. Der skandalträchtige Moderator hatte allerdings keine Schwierigkeiten, einen neuen Job zu finden: Zwei Wochen später nahm ihn ein Konkurrenzsender unter Vertrag.

Hate-Speech nennt man in den USA eine rassistische oder sexistische Sprechweise. Sie ist ein beunruhigendes Phänomen für alle, die an die freie Meinungsäußerung glauben, wirkt einschüchternd und ist eine Belästigung. Sie kann zu Gewalt führen, zu Haß und sogar zu Mord. Die USA, eine der am wenigsten zensierenden Gesellschaften überhaupt, hat standhaft zum First Amendment (Verfassungsgarantie der Redefreiheit; Anm. d. Ü.) und zu Artikel 19 der „Universalen Erklärung der Menschenrechte“ gehalten. Fast alle Versuche, gegen Hate-Speech vorzugehen, sind daher vom Obersten Bundesgericht in Washington zurückgewiesen worden.

Der Blick auf internationales Recht enthüllt jedoch Widersprüche. Artikel 19 des Internationalen Bündnisses für Bürger- und politische Rechte erklärt, daß „jedermann das Recht auf eine Meinung ohne Einmischung anderer“ und „das Recht auf freie Meinungsäußerung“ hat. Letzteres wird indes eingeschränkt durch „die Rechte und die Reputation anderer“ und „aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Gesundheit oder Sitten“. Artikel 20 desselben Dokuments schreibt zudem fest, „daß jegliches Eintreten für nationalen, rassischen oder religiösen Haß, der eine Aufforderung zu Diskriminierung, Feindseligkeit oder Gewalt darstellt, zu verbieten ist“.

Keine dieser Formulierungen hat die Debatte über die Grenzziehung zwischen freier Rede und Unverletzbarkeit der Würde anderer beenden können. Die freie Rede ist für demokratische Gesellschaften sakrosankt; sie ist die Freiheit, auf der alle anderen aufbauen. In einer Welt, in der die Folgen einer den Haß fördernden Sprache allzu deutlich sind, kommen wir deshalb an zwei Fragen nicht vorbei: Was ist der Preis der freien Rede? Und wer zahlt ihn?

Natürlich ist es bedenklich, Zensur zu fordern. Dem Argument, daß man damit vielerlei Zensurgelüsten den Weg ebnet, kann man kaum etwas entgegenhalten. Wenn man etwas zensiert, wie soll man dann jemanden daran hindern, Zensur auszuüben? In den Vereinigten Staaten gilt Hate-Speech daher als der Preis, den die Gesellschaft zur Sicherung der Rede- und Meinungsfreiheit zahlen muß.

Für den berühmtesten Fall der Verteidigung von Hate-Speech steht wohl der Ort Skokie im US-Bundesstaat Illinois. Dort wollten 1977 amerikanische Neonazis in einer Straße demonstrieren, in der viele Holocaust-Überlebende wohnten. Mit Hinweis auf das First Amendment bestätigten die Gerichte das Demonstrationsrecht der Neonazis.

Die problematische Beziehung zwischen Hate-Speech und Zensur zeigt die Kampagne von Catherine Mac Kinnon und Andrea Dworkin zur gesetzlichen Ächtung von Pornographie. Für die beiden Autorinnen war Pornographie nichts anderes als Hate-Speech. Sie erniedrige Frauen als Sexualobjekte. Während die amerikanischen Gerichtshöfe eine Zensur ablehnten, folgte Kanada den Empfehlungen von McKinnon und Dworkin. Ein restriktives Zensurgesetz war die Folge.

Doch das Gesetz richtete sich gegen prominente homosexuelle Autoren, eine radikale schwarze Feministin – der man vorwarf, Rassenhaß gegen die Weißen zu predigen – und sogar zeitweise gegen Andrea Dworkin selbst. Liberale hatten vor solchen Gefahren der Zensur gewarnt und fühlten sich nun bestätigt.

Zensur schlägt zurück: Wer beißt, wird gebissen. In Osteuropa und den Ländern der früheren Sowjetunion wurden Gesetze gegen Diffamierung und Beleidigung lange mißbraucht, um Regimekritiker zu verfolgen. In der Tükei wurde ein solches Gesetz gegen Ismail Beșikçi benutzt, einen Wissenschaftler, der sich in seinen Veröffentlichungen immer wieder gegen die Verletzung der Menschenrechte der kurdischen Bevölkerung gewandt hatte. Die Gesetze gegen „Rassenhaß“ in Südafrika während der Apartheid wurden systematisch gegen die Opfer des staatlichen Rassismus benutzt. Dort wurde selbst Alex Haleys Film „Roots“ verboten, weil er „die rassische Polarisierung für schwarze Zuschauer vielleicht intensiviert“ hätte.

Und dennoch wurde in den achtziger Jahren in der Heimat der Meinungsfreiheit, den Vereinigten Staaten, eine neue Form der Zensur geboren – in den Colleges. Beunruhigt durch die zunehmenden verbalen Angriffe auf Frauen und Minderheiten, führten einige Universitäten Regeln ein, sogenannte Speech-Codes, die sexistische und Rassen und Religionen herabsetzende Bemerkungen verboten. Bisher war ein wichtiges Element aller Kämpfe zur Erweiterung der Bürgerrechte in den Vereinigten Staten – von der Sklavenbefreiung über die Aufhebung der Rassentrennung bis zur Frauenbewegung – immer auch der Kampf um Redefreiheit gewesen. Jetzt befürworteten plötzlich dieselben Leute, die sich der Tradition der Bürgerechte verpflichtet fühlten, eine Relativierung der bis dahin als absolut verstandenen Redefreiheit. Mit diesen neuen Sprachregeln begann die zornige und häufig ermüdende Debatte über „Political Correctness“, kurz PC.

Über die PC-Codes wird nun seit mehr als zehn Jahren gestritten. Es fällt leicht, sie in manchen Bereichen als absurd zu belächeln. Doch darüber hinaus muß auch ihr Utopismus gesehen werden und der anrührende, wenn auch vielleicht etwas autoritäre Glaube daran, daß die richtige Sprachkonditionierung das Denken und Verhalten der Menschen verbessern kann.

Das Problem politischer Korrektheit – wie aller Zensur – ist jedoch, daß sie sich leicht gegen die wenden kann, die sie zu schützen meint – und daß sie jederman ermutigt, alle anderen zu überwachen. Der Widerstand gegen PC und die ihr innewohnende Zensur hatte viele Formen. Die Verteidiger der Meinungsfreiheit, beispielsweise die American Civil Liberties Union (ACLU), setzten statt dessen auf strenge Erziehung und politische Arbeit.

Der Rechtswissenschaftler Ronald Dworkin ist der Auffassung, daß nur die Meinungsfreiheit dem einzelnen das Gefühl gibt, ein Mensch zu sein, und ihm zeigt, daß sein Leben etwas bedeutet. „Wirkliche Demokratie verlangt, daß jeder Erwachsene ein Votum hat, damit der Wille der Mehrheit festgestellt werden kann. Und sie verlangt desweiteren, daß jeder Bürger nicht nur ein Votum hat, sondern auch eine Stimme: eine Mehrheitsentscheidung ist nicht fair, solange nicht jeder die angemessene Möglichkeit hatte, seine oder ihre Haltung zum Ausdruck zu bringen.“ Dworkin weiter: „Die Versuchung, Ausnahmen von diesem Prinzip zu machen – etwa indem man erklärt, daß keiner das Recht hat, pornographischen oder rassistischen Müll in die Kultur zu schütten, in der wir alle leben müßten –, diese Versuchung mag überwältigend sein. Aber wir können ihr nicht nachgeben, ohne die moralische Berechtigung zu verlieren, solche Gegner des Mehrheitskonsenses zu zwingen, sich jenen Mehrheitsentscheidungen zu beugen, die ihren Weg in die Gesetzbücher gefunden haben.“

Zur gleichen Zeit, nämlich 1993, als Ronald Dworkin seine Verteidigung der freien Rede schrieb, rief Umberto Eco – zusammen mit 40 anderen europäischen Intellektuellen – die Europäer dazu auf, wachsam gegenüber den Manövern der extremen Rechten zu sein. In einem Index-Interview Anfang 1994 sagte er: „Um Toleranz zu üben, muß man zuerst die Grenzen des Intolerablen ziehen.“ Intolerabel für Eco ist: „Ich finde nichts Schockierendes an einer ernsthaften und unwiderlegbaren wissenschaftlichen Arbeit, die feststellt, daß die Zahl der von den Nazis ermordeten Juden nicht 6 Millionen war sondern 6,5 oder 5,5 Millionen. Intolerabel ist, wenn eine Arbeit, die vorgibt auf wissenschaftlicher Forschung zu basieren, etwa suggeriert: ,Wenn weniger Juden ermordet wurden, als wir dachten, dann hat es kein Verbrechen gegeben.‘“

Was Eco und alle anderen Unterzeichner damals beunruhigte, war das Ausmaß, in dem das gefährliche Gedankengut der Rechten, einschließlich Rassismus und Fremdenhaß, wieder zum Allgemeingut wurde – und erneut verführerisch. Eben deshalb ist es so wichtig, die schwierige Diskussion über Hate-Speech und Zensur weiterzuführen.

Am Ende des Maastrichter Gipfels im Dezember 1991 verurteilte der Europäische Ministerrat Rassismus und Fremdenfeindlichkeit und schrieb, daß „Anzeichen von Faschismus und Fremdenfeindlichkeit in Europa ständig anwachsen“. Der Bericht kommentierte ebenfalls das historische Paradox, daß Rassismus in dem Moment zunahm, als sich die Demokratie auf die ehemals kommunistische Welt ausdehnte.

Verteidiger des absoluten Rechts auf freie Meinungsäußerung behaupten, es gebe wenig Beziehung zwischen Gesetzen gegen Hate-Speech und einer Abnahme ethnisch und rassistisch motivierter Gewalt oder Spannung. Das Gegenteil treffe zu: Dialog und Demokratie seien effektivere Instrumente im Verständnis der Anatomie des Hasses als Schweigen; und deshalb sei Redefreiheit notwendig.

Das Prinzip ist lobenswert. Mit der Geschichte des 20. Jahrhunderts vor Augen kann man dieser Auffassung jedoch nicht leicht zustimmen. Wer kann noch einfach an die Kräfte von Demokratie, Anstand und Rationalität glauben und damit an die Überwindung des Rassismus?

Gegen Ende dieses Jahrhunderts haben wir in Europa einen Ausbruch von Haß und Vernichtung aus rassischen, politischen und religiösen Motiven gesehen, der das ehemalige Jugoslawien fast zerstört hat. Der Holocaust liegt erst 50 Jahre zurück. Wenn es selbst diesem furchtbaren Mahnmal der Macht von Hate-Speech nicht gelungen ist, unser Bewußtsein konstruktiv zu verändern – wie kann man da an die menschliche Fähigkeit glauben, sich moralisch weiterzuentwickeln?

Angesichts solcher Ungeheuerlichkeiten hat die Diskussion um politische Korrektheit mehr verwirrt als geklärt – und die potentiellen Folgen von Haß wenig ernstgenommen. Die größte Gefahr von Hate- Speech liegt darin, daß sie über das unmittelbare Angriffsziel weit hinausschießen und zu einer Kultur des Hasses führen kann. Eine solche Kultur des Hasses ist nicht leicht definierbar. Aber ihr Entstehen ist an bestimmten Ereignisse der jüngsten Geschichte deutlich ablesbar.

Am 4. November 1995 erschoß der 25jährige Jurastudent Jigal Amir den israelischen Premierminister Jitzhak Rabin. Welche Rolle spielten dafür die Lieder, die rechtsradikale Israelis auf Demonstrationen des Likud sangen: „Rabin der Verräter, Rabin der Mörder!“? Oder die Plakate, die Rabins Körperumriß mit einem Fadenkreuz zeigten? Oder das israelische Rabbinat, das über Monate vor dem Attentat die „Jüdischkeit“ von Rabins Land-gegen-Frieden-Politik bezweifelte und weltweit um gelehrte Kommentare von Kollegen bat zur Frage, ob – nur theoretisch natürlich – die Überlassung der Westbank an die Palästinenser, einem den Juden von Gott versprochenen Landstrich, „möglicherweise die Todesstrafe rechtfertigt“. Nur ein einziger Rabbiner, Joel Nun, hat sich laut und deutlich gegen den Mord an Rabin ausgesprochen, woraufhin er von einigen seiner klugen Kollegen kritisiert wurde. Er erhielt Morddrohungen und hat inzwischen Bodyguards engagiert.

Aus Worten können Kugeln werden, Hate-Speech kann töten und verletzen, ebenso wie Zensur es kann. Deshalb müssen wir uns als erklärte Gegner jeglicher Zensur und Verfechter der Meinungsfreiheit fragen lassen: Gibt es einen Moment, in dem die quantitativen Folgen von Hate-Speech die Argumente, wie wir damit umzugehen haben, qualitativ verändern? Und muß man nicht einen Unterschied machen zwischen der Rede derer, für die Hate-Speech eine Sache ihrer Überzeugung ist – einer wie auch immer ignoranten, verblendeten oder vorurteilsgeprägten Überzeugung –, und der Rede derer, die Hate-Speech als Propaganda benutzen und mit kalkulierten, systematischen Lügen Angst, Haß und Gewaltbereitschaft in der Mehrheitsbevölkerung säen?

Man muß nur die Zeitungen Exjugoslawiens durchblättern, um Beispiele für Hate-Speech als Propaganda zu finden. 1987 veröffentlichten serbische Zeitungen ein Foto eines Belgrader Reporters aus Prekale, der mehrheitlich albanisch besiedelten serbischen Provinz Kosovo. Unter der Überschrift „Die Mutter von Prekale“ zeigt es eine serbische Frau, die umgeben von ihren Kindern auf dem Feld arbeitet. Über ihrer Schulter trägt sie ein Gewehr. Die Waffe brauche sie, so die Zeitungen, um sich und ihre Kinder gegen albanische Terroristen zu verteidigen, die Serben umbrächten und ihre Frauen und Töchter vergewaltigten.

Das Foto machte einigen Wirbel und schockierte ganz Serbien. Erst Jahre später stellte sich heraus, daß das Foto eine Fälschung gewesen war: Der Fotograf hatte der Frau das Gewehr höchstpersönlich umgehängt. Aber da hatte die Propaganda bereits ihr Werk getan. Ähnliche Fälle können für alle Protagonisten dieses Krieges nachgewiesen werden, wenngleich Serben und Kroaten in der bösen Kunst der Fälschung offenbar besonders geschickt waren.

„Wenn es ums Vaterland geht, bin ich bereit zu lügen“, sagte ein einflußreicher kroatischer Journalist. Der Chefredakteur des jugoslawischen Fernsehens in Belgrad bestätigte: „Ich schäme mich nicht, im Interesse Serbiens und des serbischen Volkes zu lügen.“ Und einer der führenden Kommentatoren der größten kroatischen Zeitung, Vecernji List, meinte: „Wenn es notwendig ist für Kroatien, dann lüge ich auch.“ Vier Jahre danach kann keiner von ihnen mehr Illusionen über die Rolle der Medien in der Herbeiführung des Krieges haben.

Der amerikanische Philosoph und Politikwissenschaftler Sidney Hook sagt über die Funktionalisierung von Haß: „Ich glaube, jedes Volk der Welt, das mit nationalistischen Ressentiments zum Haß getrieben und davon überzeugt wurde, ein bestimmtes Individuum oder eine Gruppe sei verantwortlich für sein andauerndes und extremes Elend, kann dazu verführt werden, zu tun oder zu unterstützen, was die Deutschen getan haben. Ich glaube, wenn die psychologischen und ökonomischen Bedingungen in den USA jemals so schlecht werden wie sie es in den Zwanzigern und Dreißigern in Deutschland waren, dann könnten auch hier systematische rassistische Verfolgungen ausbrechen. Es könnte gegen die Schwarzen gehen, aber auch gegen die Juden oder irgendeine andere Zielgruppe.“

Wer heute durch Bosnien fährt, sieht in der zerstörten Landschaft und den ruinierten Dörfern eine gründlich modernisierte Version des pathologischen Mechanismus, den Ivo Andrić beschreibt. Weil dieser Krieg eine Art Bürgerkrieg war, zeichnet sich seine Funktionsweise besonders deutlich ab. Hier waren die „anderen“, die von Propaganda und Hate-Speech als die legitimen Ziele aller Ängste ausgemacht wurden, Menschen, die man vertreiben, töten, vernichten durfte.

Sie, die man eigentlich gut kannte – Nachbarn und sogar Verwandte –, waren durch die Unvernunft, von der alle angesteckt waren, zu Fremden geworden und zu einer Gefahr. Die Häuser, Straßen und Dörfer, aus denen Muslime oder Serben vertrieben wurden, sind nicht einfach nur durch Feuer und Plünderungen zerstört worden: Nach dem Ende der Kämpfe wurden sie mit Bulldozern und Dynamit systematisch zerstört und dem Erdboden gleichgemacht. So führte Hate- Speech am Ende zu einer der äußersten Formen von Zensur: der Vernichtung von Erinnerung, als ob es die Orte und die Menschen, die in ihnen lebten, nie gegeben hätte.

Gibt es einen Punkt notwendigen Eingreifens irgendwo in diesem Kontinuum zwischen dem häßlichen und beleidigenden, aber lokal begrenzten öffentlichen Ausdruck von Haß und der erfolgreichen gesellschaftlichen Etablierung einer Kultur des Hassens, in der die Anstifter dieses Hasses zu seinen Rechtfertigern und schließlich zur Autorität selbst werden? Und wenn dem so ist, was ist zu tun?

Es gibt keine einfachen Antworten, aber es ist die Aufgabe von Zeitschriften wie Index on Censorship, sich zum Forum dieser Diskussion zu machen, einer der wichtigsten Diskussionen unserer Zeit.

Zum Schluß – und um eine schon komplizierte Geschichte noch komplizierter zu machen – ein bestürzender Nachtrag zur Geschichte von Bobby Grant, dem Skandalmoderator von New York. An ihr können wir ablesen, daß in unserer unbekehrbaren postmodernen Gesellschaft Hate- Speech nicht nur tötet. Sie kurbelt auch den Markt an.

Bob Grants Sendung war enorm populär, Werbekunden liebten sie wegen ihrer Einschaltquoten. Ein WABC-Redakteur sagte auf die Frage, ob Bob Grants Hetztiraden ein Beispiel für Redefreiheit seien, die unter dem Schutz des First Amendment stehen müsse, oder eher verbale Umweltverschmutzung: „Wenn die betreffende Person gute Einschaltquoten hat, muß der Sender den Müll übersehen, den sie ausspuckt. Wenn die Sendung profitabel genug ist, wird ein Sender in jedem Fall für das durch die Verfassung garantierte Recht der Meinungsfreiheit seines Talkmasters kämpfen; die hohen Einschaltquoten hatte Grant, weil er sich gegen Minoritäten aussprach. Wäre sein Publikum klein gewesen, hätten die Manager die Verfassung vergessen und ihn zum Hetzer erklärt.“ Und er fügte hinzu: „Das Radio ist die einzige ernstzunehmende Plattform, die die Rassisten haben. Unsere Werbekunden wissen, daß Haß ihre Produkte verkauft.“

Ursula Owen ist Chefredakteurin von „Index on Censorship“. Der vorliegende Text ist eine redigierte Fassung ihrer Ian Walker Memorial Lecture.