USA am Golf in der Zwickmühle

Die US-Opposition drängt, im Irak nicht nur UN-Resolutionen durchzusetzen, sondern Saddam Hussein zu stürzen. Das aber geht mit Bombenkrieg nicht  ■ Aus Washington Peter Tautfest

Der britische Premier Tony Blair ist zur Zeit der beste und auch, so scheint es, der einzige feste Verbündete Bill Clintons in der Auseinandersetzung mit dem Irak. Bei seiner Ankunft zu einem dreitägigen Staatsbesuch in den USA sprach er sich am Donnerstag für eine diplomatische Lösung der Golfkrise aus – deren Gelingen oder Mißlingen allerdings einzig von Saddam Hussein abhinge. „Sollte er auf diplomatische Offerten nicht antworten, muß er wissen, daß die Androhung der Gewalt ernst gemeint ist.“

Nachdem Madeleine Albright von ihrer Reise in den Nahen Osten ohne deutliche Zusagen arabischer Staaten zurückkehrte, die USA bei einem Bombenkrieg gegen den Irak zu unterstützen, haben sich jetzt auch in den USA selbst Kritiker der Irakpolitik Clintons zu Worte gemeldet – aus ganz unterschiedlichen Richtungen. Am Dienstag traf sich eine Abordnung von arabisch-amerikanischen Organisationen mit dem Nationalen Sicherheitsberater Sandy Berger im Weißen Haus, um ihre Bedenken gegen eine erneute Bombenkampagne gegen den Irak anzumelden, und am Mittwoch und Donnerstag meldeten sich die Kritiker vom Capitol. Newt Gingrich, Sprecher des Repräsentantenhauses, und Trent Lott, der Mehrheitssprecher im Senat, bezweifelten, daß Bombenangriffe die Lage im Irak ändern würden. „Bevor wir Saddam Hussein nicht aus dem Irak vertreiben, bekommen wir die Situation dort nie unter Kontrolle“, sagte Trent Lott.

Wenn die Ziele einer Militäroperation die Zerstörung der Massenvernichtungswaffen, die Entmachtung Saddam Husseins, die Änderung der politischen Lage und die Besserung der Situation der Bevölkerung im Irak sind, „dann ist höchst ungewiß, ob sie mittels einer Bombenkampagne erreichbar sind. Gewiß wären nur deren katastrophalen Nebenwirkungen“, sagte James Zogby, Direktor des Arab American Instituts. „Alle aber, die den Vorschlag machen, den Irak zu besetzen oder zu zerschlagen, um das Land unter seine Nachbarn aufzuteilen, sollten sich auf ihren Geisteszustand untersuchen lassen“, fügte er hinzu.

So von allen guten Geistern verlassen sind die beiden republikanischen Sprecher trotz ihrer starken Worte noch nicht. Sie setzten sich jedoch dafür ein, daß eine US-Militäraktion das Ziel haben muß, die Regierung Saddam Husseins durch ein Regime zu ersetzen, das die Umsetzung der Waffenstillstandsvereinbarungen von 1991 gewährleistet.

Die sich abzeichnenden Differenzen zwischen dem Weißen Haus und dem republikanisch beherrschten Kongreß sind innenpolitisch zu verstehen. Trent Lotts Ausführungen greifen einen beliebten Topos innenpolitischer Rhetorik auf: „Es geht nicht an, Saddam Hussein in seinen Käfig zu sperren, nur um ihn sechs Monate später wieder herauszulassen.“ So reden Law&Order-Befürworter, wenn es um Verbrechensbekämpfung geht. Wie sie das eigentlich bewerkstelligen wollen, sagen sie freilich nicht.

Die großen Worte sollen den Präsidenten in eine Zwickmühle bringen. Die gleichen Leute, die heute eine Erfolgsgarantie für geplante Militäraktionen verlangen, wären die ersten, die sich gegen die Entsendung von Bodentruppen sperren würden. So versuchte Verteidigungsminister William Cohen am Mittwoch die Quadratur des Kreises. Bei einer Anhörung im Kongreß versicherte er, daß die Vereinigten Staaten keine Bodentruppen zu entsenden beabsichtigen – und mußte doch gleichzeitig eingestehen, daß ein Luftkrieg nur sehr begrenzte Aussichten auf Erfolg hat. Gleichwohl sei er nicht völlig sinnlos: Denn obwohl alle Militärfachleute darin übereinstimmen, daß sich auch durch die neue Präzisionsmunition die Giftküchen Saddam Husseins nicht ausschalten ließen, so gäbe es noch Infrastruktureinrichtungen, deren Zerstörung dem Regime schweren Schaden zufügen könnte. Die Überlegungen, den Charakter und die Ziele eines militärischen Eingreifens auszudehnen gewinnen inzwischen jedoch eine Eigendynamik.

Stephen J. Solarz, ehemaliger demokratischer Abgeordneter aus New York, und Richard Perle, ein ehemaliger Planungsstratege aus dem Pentagon, sammeln im Kongreß Unterschriften für eine Resolution, die dem Präsidenten eine weitergehende Militärstrategie empfehlen würde. Eine am Montag von der Los Angeles Times veröffentlichte Meinungsumfrage weist aus, daß 68 Prozent der Bevölkerung einen Bombenkrieg unterstützen – vorausgesetzt, er führt zur Absetzung Saddam Husseins.