„...und dann war das Thema weg“

■ Warum der Berliner Senat fast unbemerkt ein Gesetz verschärfen konnte – und die SPD schlief

Der Bundesratsbeschluß, Sozialleistungen für viele Ausländer zu kürzen, geht auf eine Berliner Initiative zurück. Am Dienstag unterstützten die SPD-Vertreter im Berliner Senat den Entwurf – am Donnerstag hat das Abgeordnetenhaus auf SPD-Antrag dagegen gestimmt. Eckhardt Barthel ist migrationspolitischer Sprecher der SPD im Berliner Abgeordnetenhaus.

taz: Die Berliner Sozialdemokraten haben erst am Tag vor der entscheidenden Abstimmung im Bundesrat versucht, die Berliner Initiative zu stoppen. Warum sind Sie so spät aufgewacht?

Eckhardt Barthel: Das ist alles auf der Ebene der Exekutive gelaufen. Wir in der Fraktion sind nur am Rande im Herbst des vergangenen Jahres mal informiert worden, daß der Senat eine Gesetzesinitiative im Bundesrat starten wollte. Das war meine ganze Information und dann war das Thema weg. Und erst am Montag durch die taz-Meldung bin ich wieder darauf gestoßen.

Das klingt, als passiere Politik wie ein Unfall?

Nicht so sehr wie ein Unfall, sondern es gibt einen riesigen Druck, und dieser Druck heißt Haushalt – und dem wird sehr, sehr viel untergeordnet. Und das trifft dann immer das dünnste Glied der Kette: die Flüchtlinge.

Die SPD sitzt in Berlin in der Regierung – warum hat die Fraktion die SPD-Senatoren nicht beauftragt, im Senat ein Veto einzulegen?

Der Grundsatz ist der, daß man den sozialdemokratischen Vertretern im Senat eben vertraut.

Ist dieses Vertrauen durch die Zustimmung der Vertreter der Sozialdemokraten im Senat zum Leistungsentzug für Flüchtlinge mißbraucht worden?

Ich weiß nicht, wie intensiv man sich dort überhaupt mit dieser Geschichte befaßt hat, und wieweit man das über andere Fachressorts hat laufen lassen. So daß sie sich eigentlich überhaupt nicht bewußt waren, was dahinter steckt. Es war offensichtlich kein Diskussionsbedarf da.

Ist das ein Symptom dafür, daß Politiker ihre Steuerungs- und Kontrollaufgabe gegenüber der Exekutive oft gar nicht wahrnehmen?

Daß wir nicht beteiligt sind, ist für mich Ausdruck für den geringen Stellenwert von Migrations- und Flüchtlingspolitik im parlamentarischen Raum. Interview: Patrik Schwarz