Regenerative Energie auf dem Prüfstand

■ Liberalisierung und Wettbewerb verdrängen Windkraft und Solaranlagen

Der Hamburger Strombedarf läßt sich theoretisch komplett aus regenerativen Energienquellen decken. Praktisch dagegen nicht. Ändert sich nichts an den politischen Rahmenbedingungen, werden Wasser, Wind und Sonne auch künftig nicht mehr als wenige Prozent der Stromnachfrage abdecken. Das wurde auf einer Podiumsdiskussion des RenergieForums am Freitag abend deutlich. Etwa zweieinhalb Prozent des Hamburger Stroms wird zur Zeit per Windenergie erzeugt, dazu kommen 0,05 Prozent durch Solaranlagen. Umweltsenator Alexander Porschke (GAL) möchte daher die Erzeugungskapazitäten der erneuerbaren Quellen steigern: Verdreifachung der Solarwärme in dieser Legislaturperiode, 50 Prozent mehr Windkraft. Ganz oben auf seiner Wunschliste: neben dem Atomausstieg die Einführung einer Öko-Steuer auf Kohle und Gas, um Anreize zum Energiesparen zu geben.

„Der Ausbau der erneuerbaren Energie hat nur dann Wert, wenn gleichzeitig der gesamte Energieverbrauch sinkt“, bestätigte Wilhelm von Braunmühl, ehemaliger Mitarbeiter des Wuppertal Instituts und derzeit Vordenker der Hamburgischen Electricitäts-Werke (HEW). Sinkt der Verbrauch von Uran, Kohle und Gas, so steigt – ohne daß es neuer Anlagen bedarf – automatisch der Anteil der Wind-, Wasser- und Sonnenkraft.

Die Veränderungspotentiale hierbei sind gewaltig. Zwei Drittel der eingesetzten Primärenergie in Hamburg verpuffen ungenutzt, schätzt Christoph Krupp von der Umweltbehörde: als Abwärme von Kraftwerken, Motoren und schlecht isolierten Häusern. „Bei drastischer Energieeinsparung ist es aus technischer Sicht theoretisch möglich, den gesamten Hamburger Bedarf durch regenerative Energie zu decken“, erklärt Krupp, etwa durch einen enormen Ausbau der relativ teuren Solaranlagen. „Der eigentlich limitierende Faktor“sei nicht so sehr die zur Zeit vergleichsweise schlechte Wirtschaftlichkeit des Ökostroms, sondern die „instrumentelle Ebene“. Sprich: die Politik.

Und die, darin waren sich mit Ausnahme der Handelskammer alle Vertreter von Unternehmen, Umweltverbänden und Behörden einig, ist die falsche. Durch die Bonner Liberalisierung des Strommarktes werden die Elektronen billiger – und bieten damit keinen Anreiz zum Energiesparen. „Die Preise der HEW sinken seit mehreren Jahren“, bestätigte von Braunmühl, „und dieser Prozeß ist sicher noch nicht abgeschlossen.“

Das deutsche Liberalisierungsgesetz schafft europaweiten Wettbewerb unter den Stromkonzernen. Die kleinen Erzeuger, zu denen die regenerativen Anlagen gehören, aber werden vom lukrativen Markt ausgeschlossen. Sie müssen eine Gebühr bezahlen, um ihren Strom in die Netze einspeisen zu dürfen. „In fünf Jahren“, sagte ein Windmüller aus Schleswig-Holstein, „sind damit alle kleinen Anbieter kaputt.“Dann wird auch Energiesparen die regenerativen Quellen nicht mehr retten. Achim Fischer