Da helfen keine Vitamine

■ Beim mageren 1:1 gegen Hertha erkennt nur HSV-Coach Pagelsdorf neue Leidenschaft

Hamburg (taz) – Flächendeckend wurden vor dem Anpfiff mineralienhaltige Vitamintabletten an die gut 35.000 Zuschauer im Hamburger Volksparkstadion verteilt. Denn in Streßsituationen, so war dem Beipackzettel zu entnehmen, braucht der Körper „vermehrt Calcium und Magnesium“. Zur Stärkung der Abstiegskräfte taugten die Brausedrops allerdings nicht – kaum ein Besucher hatte an ein Glas Wasser gedacht.

Auf die Wirkung mit Verzögerung setzt auch Frank Pagelsdorf (40). „Ich denke, daß das ein Anfang ist“, meinte der HSV-Trainer nach dem 1:1 gegen Aufsteiger Hertha BSC, mit dem die jetzt neun Spiele sieglosen Hamburger den letzten Platz verteidigten. „So, wie die Mannschaft sich kämpferisch und läuferisch präsentiert hat, werden wir in jedem Fall den Klassenerhalt schaffen.“ Der von sich überzeugte Schlußlicht-Übungsleiter („Bin der richtige“) wollte sogar „den Beginn einer neuen Leidenschaft“ entdeckt haben. Er habe „Feuer“ gespürt – bei den HSV-Fans, die eigens aufgefordert worden waren, „auf die Einpeitscher unten in der Kurve zu achten“. Da hielten vier junge Männer hin und wieder zwei „Steht auf für den HSV“-Plakate hoch, wenn sie es vor lauter Aufregung nicht gerade auf der Laufbahn abgelegt hatten. Für ihre Verhältnisse waren die Anhänger – 5.000 mit „Gebt uns Rückendeckung!“-Freikarten ausgestattet – dennoch fast schon euphorisch. Erst in der zweiten Hälfte maulten sie ein wenig. Da hatte sich der HSV aber auch „ein bißchen blöd angestellt“, so Libero Stefan Schnoor.

Doch was lodert noch in Pagelsdorf, dem fastenden „Schoko-Bullen“ (Max Merkel), der am 15. Mai seine Katrin (21) nicht als übergewichtiger Zweitligacoach vor den Traualtar führen will? Es brennt anscheinend genug, daß der Vorstandsvorsitzende Uwe Seeler versichert: „Pagelsdorf bleibt bis Saisonschluß unser Trainer. Da kann passieren, was will.“ Weil aber nicht alle eine so treue Seele sind wie Seeler oder darauf erpicht, künftig nach Unterhaching oder Fürth zu gondeln, wurde vorgesorgt. Wenn die Verbindung mit dem „Wunsch-Trainer“ gelöst werden sollte, vielleicht schon nächste Woche nach einer Niederlage in Köln, bekommt Pagelsdorf 800.000 Mark Abfindung. Die peppen mehr als jeder Vitaminstoß. Clemens Gerlach

Hertha BSC: Kiraly – Karl – Herzog, Sverrisson – Fährmann (60. van Burik), A. Schmidt, Arnold, Veit, Dinzey – Thom, Preetz

Zuschauer: 32.236

Tore: 0:1 Schmidt (5), 1:1 Fischer (28.)

Hamburger SV: Butt – Schnoor – Hertsch, Panadic – Fischer, Kmetsch, Spörl, Zeyer, Hollerbach (75. Trejgis) – Dembinski (75. Weetendorf), Salihamidzic