Bestürzt

■ betr.: „Psychotherapeut, ein deut scher Beruf“, taz vom 4.2. 98

Mit Enttäuschung haben wir zur Kenntnis genommen, daß eine Arbeitsgruppe des Vermittlungsausschusses sich bereits am 3.2. 98 über die Ausgestaltung des umstrittenen PsychotherapeutInnengesetzes geeinigt hat. Als Mitglieder der Landesarbeitsgemeinschaft Migrations- und Flüchtlingspolitik der GAL Hamburg waren wir tief enttäuscht darüber, daß die Bundestagsabgeordnete Monika Knoche das Berufsausübungsverbot für MigrantInnen offenbar als nicht wichtig genug einschätzte, um es zum zentralen Kritikpunkt des Gesetzes zu machen und seine Streichung seitens B'90/Grüne mit Vehemenz im Vermittlungsausschuß zu vertreten.

Darüber hinaus sind wir bestürzt über die geforderten fünf Jahre legalen Aufenthalts, um einen Rechtsanspruch auf Approbation zu erhalten. Was für einen Sinn soll eine derartige Frist haben? Vielleicht die Erfüllung sprachlicher Voraussetzungen? Weiß Frau Knoche denn nicht, daß vor der Arbeitsaufnahme von MigrantInnen in der BRD immer noch die Hürden des Aufenthaltsrechts und des Arbeitserlaubnisrechts stehen? Zudem setzt die psychotherapeutische Berufsausübung eine langjährige Ausbildung im Inland oder die Absolvierung schwerster Anerkennungsprüfungen voraus. Haben „ausländische“ PsychotherapeutInnen diese (langjährigen) Hürden erst einmal überwunden, beherrschen sie selbstverständlich auch die deutsche Sprache! Wozu also dann das Erfordernis eines fünfjährigen legalen Aufenthaltes, Frau Knoche?

Eine Partei, die von sich behauptet, daß fortschrittliche MigrantInnen- und Flüchtlingspolitik eines ihrer Hauptstandbeine sei, kann es sich nicht leisten, desinteressiert zur Tagesordnung überzugehen, weil einem Teil der MigrantInnen und Flüchtlinge verboten wird, ihren Beruf auszuüben, und einem anderen Teil die psychotherapeutische Versorgung entzogen wird!

Wer MigrantInnen- und Flüchtlingspolitik ernst nimmt und unter anderem auch dafür von seinen Wählerinnen und Wählern gewählt wird, muß gerade berufsrechtliche Gesetzeswerke konsequent auf diskriminierende Vorschriften untersuchen und diese vehement zu verhindern suchen.

Eine Partei, die auf der einen Seite die Einführung eines Antidiskriminierungsgesetzes fordert, auf der anderen Seite aber diskriminierende Gesetze mitverhandelt und sogar begrüßt (wie hinsichtlich des SPD-Vorläuferentwurfes für ein Psychotherapeutengesetz, der das gleiche Berufsausübungsverbot für MigrantInnen enthielt, durch Monika Knoche geschehen – Plenarprotokoll 13/44 vom 22.6. 1995, Seite 3598), wird – gerade in Wahlzeiten – mehr als unglaubwürdig. Tanja und Victor Harvey,

Hamburg