■ Kohl sichert USA bei Golfkrieg militärische Unterstützung zu
: Blinde Vasallentreue

Kaum haben ein paar US-Senatoren auf einer Diskussionsveranstaltung vorsichtig die Möglichkeit eines nachlassenden Nato-Engagements ihres Landes angedeutet, schon gerät der deutsche Regierungschef ins Schwitzen und fällt vor ihnen auf die Knie. Die als „politische Solidarität“ verbrämte blinde Vasallentreue, die Bundeskanzler Helmut Kohl auf der Münchener Konferenz zur Sicherheitspolitik beim Thema „Krieg gegen Irak“ demonstrierte, zeigt erneut: Helmut Kohl ist zu kritischen Anfragen an die Politik Washingtons oder auch nur zur Formulierung einer eigenständigen deutschen Haltung nicht willens und wohl auch nicht fähig.

Dies gelingt ihm selbst in Situationen nicht, in denen es neben all den Fragen der Ziele und der völkerrechtlichen Grundlagen militärischer Maßnahmen gegen Irak nicht zuletzt um Tausende unschuldige Zivilisten geht, die dabei – selbst nach internen Folgeabschätzungen des Pentagon – ums Leben kommen werden. Aber was spielt das alles schon für eine Rolle im Vergleich zu einem ungetrübten Verhältnis zwischen Bonn und Washington?

Die BürgerInnen Iraks und seiner Nachbarstaaten waren dem Kanzler bereits in den 80er Jahren egal. Unter seiner Regierungsverantwortung wurde Irak von deutschen Firmen mit den Rüstungsanlagen und Grundsubstanzen für Massenvernichtungswaffen ausgerüstet, die Saddam Hussein dann gegen Iran wie gegen Kurden im eigenen Lande einsetzte. Mit der Vernichtung eben jener Waffen werden jetzt militärische Maßnahmen gegen den Irak begründet. Kohls Vasallentreue ist auch ein Stück Kompensation für die bis heute politisch nicht aufgearbeitete deutsche Mitverantwortung für die Kriegsverbrechen Saddam Husseins.

In München haben Kohl, Verteidigungsminister Volker Rühe, aber auch die zumeist durch widerspruchsloses Schweigen auffallenden Politiker der SPD-Opposition erneut deutlich gemacht: Der von Bonn angestrebte ständige Sitz Deutschlands im UNO-Sicherheitsrat wäre im besten Fall irrelevant für die weitere Weltgeschichte. Im schlimmeren Fall diente er nur der Unterstützung für die Zementierung der unipolaren Weltordnung und die zunehmend völkerrechtswidrige Politik der USA. Kohls Vasallentreue in der Irak-Frage ist zugleich eine deutliche Absage an Frankreich und andere EU-Staaten, deren Haltung im derzeitigen Konflikt erheblich von der Washingtons abweicht. Kohls Kniefall vor Washington ist so auch eine erneute Absage an die von Bonn angeblich angestrebte gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik Europas.

Abgesehen von ihrer politischen Bedeutung ist Kohls Solidaritätsbekundung an die USA substanzlos. Washington hat die Benutzung von Luftwaffenbasen auf deutschem Boden bislang gar nicht verlangt. Sie würde dies auch künftig – wenn überhaupt – nur für den unwahrscheinlichen Fall tun, daß Italien, die Türkei und die Golfstaaten ihre Basen für die Kampf-und Transportflugzeuge der USA sperrten. Das weiß auch die Bundesregierung. Ihr Kalkül ist, die innenpolitische Debatte um die deutsche Rolle beim nächsten Golfkrieg zu beenden, bevor sie überhaupt richtig angefangen hat. Eine militärische Beteiligung werde nicht wirklich gebraucht, erklärte Verteidigungsminister Rühe und erweckte damit den Eindruck, sie werde deshalb auch nicht stattfinden. Ähnliche Erklärungen der Bundesregierung aus dem Herbst/Winter 1990/91 haben sich inzwischen als Lüge erwiesen. Deutsche Soldaten waren in Awacs- Flugzeugen in der Türkei, die als Feuerleitsysteme für die gegen Irak eingesetzten Kampfflugzeuge dienten. Dies war ein Bruch der Verfassung durch die Bundesregierung.

Auch die inzwischen veränderten Grundgesetzbestimmungen verlangen vor einem ähnlichen Einsatz deutscher Soldaten einen Parlamentsbeschluß. Setzt die Opposition, mit Ausnahme einiger Bündnisgrüner Abgeordneter, im Bundestag ihren außen- und sicherheitspolitischen Tiefschlaf fort, wird ein solcher Einsatz möglicherweise auch ohne Parlamentsbeschluß stattfinden. Andreas Zumach