In Brčko beginnt der Wiederaufbau

Muslimische und kroatische Vertriebene kehren in die umstrittene ostbosnische Stadt zurück. Nur im Zentrum herrschen die Serben noch uneingeschränkt. Im März wird über den Status der Stadt entschieden  ■ Aus Brčko Erich Rathfelder

Das Haus ist nur noch ein Trümmerhaufen. Lediglich die Betondecke zum Keller hin hat dem Artilleriebeschuß während des Krieges standgehalten. Samir Beslagić steht vor seinem Haus in einem Wohnviertel der serbisch kontrollierten Stadt Brčko in Ostbosnien, in dem fast alle Häuser so aussehen. Zu Beginn des serbischen Angriffs im April 1992 hielten die Verteidiger dieses Viertel noch, Samirs Haus wurde wegen des stabilen Kellers als Lazarett genutzt. Wenig später jedoch war das ganze Viertel in serbischer Hand.

Jetzt aber sind Samir und seine muslimischen und kroatischen Nachbarn zurückgekehrt. Obwohl das Viertel zur serbisch kontrollierten Zone Bosniens, der Republika Srpska (RS), gehört, sind sie dabei, den Schutt wegzuräumen. Bagger und Räumgeräte sind von internationaler Seite zur Verfügung gestellt, der Schutt auf manchen Nachbargrundstücken ist schon verschwunden. Wo noch Mauern stehen, werden sie gesichert. Im Frühjahr soll mit dem Wiederaufbau begonnen werden.

Bis dahin soll auch der künftige Status der Stadt geklärt sein. Darüber wurde am Wochenende auf einer internationalen Konferenz in Wien verhandelt. Die Entscheidung, welcher Seite Brčko zugesprochen wird, soll im März fallen.

Samir blickt auf die Uhr. Es ist schon 14.30 Uhr, Zeit, die mitgebrachten Werkzeuge zusammenzupacken und im Auto zu verstauen. Um Punkt 15 Uhr werden die Vertriebenen unter dem Schutz von SFOR-Soldaten in einer langen Autokolonne in das fünf Kilometer entfernte Brka fahren, einem Dorf auf der anderen Seite der Demarkationslinie, im bosniakisch kontrollierten Teil Bosniens. Dort haben die meisten von ihnen seit den Tagen der Vertreibung im Frühjahr 1992 gelebt.

„Wir werden unsere Häuser wieder aufbauen, aber können wir in Zukunft auch hier leben?“ Die Rückkehrer bleiben skeptisch. Denn alle Hoffnungen, Brčko würde zur kroatisch-bosniakischen Föderation geschlagen, sind längst verflogen. Die strategisch wichtige Stadt ist das einzige Bindeglied der Republika Srpska; hier verläuft die Straße, die den Westteil des serbisch kontrollierten Bosniens mit den östlichen Gebieten Bosniens und mit Belgrad verbindet. Die serbische Seite will deshalb nicht einmal dem Kompromiß zustimmen, der Brčko zu einer multikulturellen, unter internationaler Kontrolle stehenden, offenen Stadt machen soll. Zwar gibt es schon eine internationale Administration, zwar existiert seit den Gemeindewahlen im Herbst 1997 ein gemeinsamer Gemeinderat und sogar eine gemischte Polizei, in der Serben, Bosniaken und Kroaten gemeinsam Streife fahren. Die Rückkehrer jedoch wollen klare Verhältnisse. „Wir wollen nicht in der Republika Srpska wohnen, dort werden doch nur Serben bevorzugt.“

Kaum sind die bosniakischen und kroatischen Nachbarn weg, füllt sich die Straße mit den serbischen Bewohnern dieses Viertels. Jetzt machen sie ihre Besorgungen. Es handelt sich meist um Flüchtlinge aus Sarajevo, die in den wenigen, noch einigermaßen intakt gebliebenen Häusern des Viertels wohnen. Der 45jährige Jovan Pejanović zum Beispiel. Der ehemalige Ingenieur hat immerhin einen Job gefunden und schlägt sich als Tankwart durch. Kontakt mit seinen zukünftigen Nachbarn meidet er. Eigentlich will er wieder zurück nach Sarajevo, hat aber Angst, künftig in der bosniakisch- kroatischen Föderation zu wohnen. „Dort habe ich als Serbe in meinem Alter doch keine Chance mehr, Arbeit zu finden.“

Bis zu der Brücke, über die der Verkehr zwischen Banja Luka und Belgrad fließt, reicht das Gebiet, wohin Vertriebene zurückkehren können. Das Zentrum der Stadt am Ufer des Sava-Flusses, der die Grenze zu Kroatien bildet, ist für die früheren Bewohner weiterhin verschlossen. Der serbische Korridor Brčko ist aber von 1995 mit noch vier Kilometern mit jetzt 500 Metern Durchmesser so „dünn wie ein Bleistift“ geworden.

Die Berührungsängste abzubauen, darin sieht der Sprecher der internationalen Administration, David Bennet, die Hauptaufgabe. Vertrauen müsse gebildet werden. „Noch vor wenigen Monaten wurden Rückkehrer bedroht. Die Existenz der gemischten Polizei, der gemeinsame Gemeinderat, das sind doch schon Fortschritte.“