■ Nachschlag
: Souverän: Anne-Sophie Mutter spielte in der Philharmonie

Anne-Sophie Mutter ist ein Erfolgsprodukt. Abgesehen von ihrer schier umwerfenden Optik spielt sie ihre Stradivari so markerschütternd schön, daß selbst der SZ-Kritiker Joachim Kaiser einräumte: „Ihr Ton kann süchtig machen.“ Denn dieser Ton ist nicht verklausuliert „akademisch“ oder steril, sondern hat fast den Charakter persönlicher Anrede.

Debatten über Klangschönheit oder technische Souveränität sind bei Anne-Sophie Mutter müßig. Die Frage war vielmehr, ob ein Pianist mit solch geigender Dominanz tatsächlich in einen sinnvollen Dialog treten kann. Schließlich heißt es bei Beethoven bewußt „Sonate für Klavier und Violine“ und nicht, wie sonst üblich, einfach „Violinsonate“ (mit Klavier). Und bekanntlich kann sich Frau Mutter reichlich stur zeigen – Taktstock-Legende Celibidache ließ sie einst im Regen stehen, weil ihr dessen Tempi zu lahm waren.

Der Pianist Orkis jedoch wurde von Mutter nicht auf die bloße Rolle eines musikalischen Scheinwerfers reduziert; beide setzten ihre Vorstellungen gemeinsam um. Ist, wie in der Sonate op.23, eine Phrase paartonweise abwechselnd geschrieben, dann klang das nicht wie ein schlecht funktionierender Reißverschluß, sondern tatsächlich wie ein einheitliches Ganzes. Oft war sogar Mutter diejenige, die sich in komplizierten Tempofragen an Orkis anpaßte, kaschiert durch geschickte Dynamik und Phrasierung. Daß hier zwei diametral verschiedene Charaktere aufeinandertrafen, ist insgesamt eher konstruktiv. Die Sonaten passen vom Ausdrucksgestus her ohnehin nicht in eine einheitliche Schublade. Um so größer muß die Bandbreite an Einfällen sein, damit nicht alle Stücke ins gleiche Schema gepreßt werden.

Dumm nur, daß einem Großteil des Publikums derartige Finessen entgehen: echte und fingierte Pseudo-Krupp-Anfälle ohne Ende, die Stücke mittendrin zu Tode applaudiert, selbst Handys jodelten durch den Raum. Fazit: Die CD ist eigentlich gar keine so schlechte Erfindung. Und ab Herbst gibt es auch eine mit Mutter, Orkis und den Beethoven-Sonaten. Annette Lamberty

Nächste Konzerte: Beethoven, „Sonaten für Klavier und Violine“, op. 30 Nr. 1–3 am 17.2., op. 47 und 96 am 22.2., Philharmonie