Unmotivierte Unternehmer

■ Von 5.500 türkischen Unternehmen bilden lediglich 50 aus. Formale Hindernisse und fehlende Motivation sind häufigster Grund. Doch ein Modellprojekt für Ausbilder ist bisher erfolglos

Ob im Baugewerbe, in der Kommunikationstechnik, in der Dönerbude oder im Gemüseladen – überall ist die Situation gleich schlecht: Nichtdeutsche Unternehmen bilden immer noch überproportional wenig Jugendliche aus. In Berlin gibt es nach Schätzungen der Bündnisgrünen immerhin 20.000 Firmen, die Nichtdeutschen gehören. Allein 5.500 sind türkisch, davon nehmen derzeit aber nur rund fünfzig Betriebe Azubis an. Doch das Potential ist wesentlich größer: Nach Ansicht der arbeitsmarktpolitischen Sprecherin der Grünen, Sibyll Klotz, sind momentan mindestens fünfhundert türkische Betriebe rein formal in der Lage, Jugendliche auszubilden.

Doch die bisherigen Versuche, nichtdeutsche UnternehmerInnen zur Ausbildung zu bewegen, sind mager ausgefallen. Jüngstes Beispiel ist ein Modellprojekt der Senatsverwaltung für Arbeit, der Industrie- und Handelskammer und deutsch-türkischer Unternehmerverbände, das erst vergangene Woche startete. In zwei Lehrgängen sollten jeweils zwanzig türkische TeilnehmerInnen die notwendige Ausbildungsberechtigung erwerben. Eines der größten Ausbildungshindernisse sind immer noch die fehlenden formalen Voraussetzungen. Fünfzig Interessenten meldeten sich nach Angaben von Arbeitsstaatssekretär Peter Haupt, zum Termin erschien aber nur ein halbes Dutzend. Ahmet Ersöz von der Deutsch-Türkischen Unternehmensvereinigung macht für den Mißerfolg die kurzfristige Ankündigung aus. Das Projekt, das teilweise vom Europäischen Sozialfonds finanziert wird, wurde erst im November bewilligt. Die Arbeitsverwaltung rechnet jedoch damit, daß zukünftig fünfzehn TeilnehmerInnen kommen.

Doch, so sagte Ersöz gestern, das größte Hindernis für eine Ausbildung von Jugendlichen seien nicht die formalen Schwierigkeiten wie fehlende Meisterbriefe oder vergleichbare Qualifikationen, sondern Sprachprobleme, die finanzielle Belastung und fehlende Motivation. Er geht davon aus, daß „moralischer Druck“ nicht viel nützt, sondern nur langfristige Motivations- und Betreuungsarbeit, außerdem detaillierte Erkenntnisse über die Arbeitsstrukturen in den Betrieben. Ersöz klagte, daß gerade mittlere Unternehmen sich häufig in einer Existenzkrise befänden und dann nicht auch noch Azubis aufnehmen könnten.

Die Bündnisgrünen fordern deshalb weitreichendere Maßnahmen. Sie verwiesen gestern bei einer von ihnen initiierten Anhörung im Abgeordnetenhaus auf ein Projekt in Köln, wo rund ein Drittel aller Jugendlichen nichtdeutscher Herkunft sind. Dort gibt es bereits seit neun Jahren eine Beratungsstelle zur Qualifizierung ausländischen Nachwuchses (BQN). Hier werden kontinuierlich Betriebe, potentielle Ausbilder, aber auch nichtdeutsche Eltern informiert und geschult. Mit wachsendem Erfolg: Als die BQN 1989 ihre Arbeit aufnahm, stellten die nichtdeutschen Jugendlichen nur fünf Prozent aller Azubis, heute sind es bereits achtzehn Prozent. Julia Naumann