Andrea Fischer in der Favoritenrolle

■ Die Grünen wählen am Samstag die Landesliste für den Bundestag. Sozialpolitikerin Andrea Fischer hat nach ihrem parteiinternen Wahlkampf gute Chancen, Baupolitikerin Franziska Eichstädt-Bohlig als Spit

Der grünen Bundestagsabgeordneten Andrea Fischer werden gute Chancen eingeräumt, die Landesliste der Grünen als Spitzenkandidatin anzuführen. Bei der Aufstellung der Landesliste an diesem Samstag könnte die 37jährige Sozialpolitikerin die baupolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion, Franziska Eichstädt-Bohlig, verdrängen, die 1994 als Spitzenkandidatin für die Grünen in den Wahlkampf zog. Doch wie das Ergebnis auch ausfällt – es dürfte knapp werden.

Nur drei Listenplätze gelten als sicher für den Einzug in den Bundestag. Doch dafür bewerben sich vier KandidatInnen: neben den jetzigen Bundestagsabgeordneten Fischer und Eichstädt-Bohlig auch das Gründungsmitglied Christian Ströbele und die Bürgerrechtlerin Marianne Birthler. Doch für vier Plätze wäre ein Traumergebnis von 15 Prozent notwendig.

Mit drei Listenplätzen können kaum alle parteiinternen Proporze erfüllt werden: Unumstritten ist die Frauenquote. Auch das Verhältnis zwischen „Realos“ und „Linken“ will austariert sein. Und die nach der Vereinigung geltende Ostquote ist zwar abgeschafft, doch der moralische Druck ist groß. „Wie sähe es denn aus, wenn die Berliner Landesliste nur aus WestpolitikerInnen bestehen würde“, gibt ein Parteimitglied zu bedenken. Dabei kommen die vehementesten Befürworter einer Ostquote aus dem Westen.

„Ginge es nach der Qualität, müßte man eigentlich Fischer, Eichstädt-Bohlig und Ströbele wählen“, stellt ein Parteimitglied fest. Birthler kann zwar auf einer beeindruckende Vergangenheit als Bürgerrechtlerin, Brandenburger Bildungsministerin und ihre Tätigkeit in zahlreichen Parteiämtern verweisen, doch in den letzten zwei Jahren ist sie als Leiterin des Berliner Büros der grünen Bundestagsfraktion politisch kaum in Erscheinung getreten.

Der einzige Linke unter den vier KandidatInnen ist der 58jährige Rechtsanwalt Christian Ströbele. War zunächst noch umstritten, ob er als aussichtsreicher Direktkandidat überhaupt auf einem Listenplatz abgesichert werden soll, wird dies kaum noch in Frage gestellt. Im Falle einer rot-grünen Regierung gilt er den Linken als Garant, daß sich die Grünen bei Koalitionsgesprächen mit der SPD nicht über den Tisch ziehen lassen.

Hinzu kommt, daß er bei der letzten Kandidatenaufstellung für den Bundestag wegen der damals geltenden doppelten Quotierung als Westmann keine Chance hatte. Das Direktmandat im Wahlkreis Kreuzberg/Schöneberg verfehlte er 1994 knapp. Seine Aufstellung sehen einige daher als einen Akt der Wiedergutmachung. Im Realo-Lager hat Ströbele allerdings auch entschiedene Kritiker.

Schon im Herbst hatte der Parteivorstand dazu aufgerufen, auf Absprachen zwischen den Parteiflügeln zu verzichten. „Noch einmal dürfen Proporze und Quoten nicht die innerparteiliche Demokratie erdrosseln“, hieß es in einem Schreiben. Wie auch immer die Liste am Ende aussehen möge, solle dies nicht als Richtungsentscheidung gewertet werden.

Bei der Abwägung, ob die ehemalige Linke Fischer oder die Reala Eichstädt Spitzenkandidatin werden, dürfte weniger die Flügelzugehörigkeit als das Politikfeld eine Rolle spielen. Beide haben im Bundestag gute Arbeit geleistet. Fischer hat sich in der Sozialpolitik profiliert, die auch bei den Grünen als das zentrale Politikfeld der nächsten Jahre gilt. Zudem hat sie mit ihrem parteiinternen Wahlkampf gegen Ströbele um das aussichtsreiche Direktmandat im Wahlkreis Kreuzberg/Schöneberg Punkte gesammelt. Eichstädt- Bohlig gerät zum Nachteil, daß in ihrem Berliner Aktionsfeld Regierungsumzug die wichtigen Entscheidungen bereits gefallen sind und Baupolitik eher nachrangig ist. Wer immer das Rennen um Platz eins verliert, wird auf die Symbolfiguren der Linken und des Ostens treffen – und damit Gefahr laufen, auf einem aussichtslosen Platz zu landen. Dorothee Winden